czwartek, 2 września 2010

wenecja wschodnia albo wszystkie moje mosty II

niemand kaeme auf die idee, diese stadt mit venedig zu vergleichen. zu weit war das meer entfernt, zu niedrig der haeufig nebelverhangene himmel und kein licht einer lagune. die boote, die auf der weichsel zu sehen waren, waren die spielzeugschiffchen der wasserpolizei oder ordentlich vertaeut, und die behaebig schweren kohleschlepper zogen auf anderen wasserwegen in richtung der deutschen kraftwerke. an den terrassierten ufern der weichsel broeckelte der sozialistische beton und gab hier oder dort auf rostendes stahlgeflecht frei, ueber das in unaufmerksamen momenten die fuesse stolperten. unverbruechlich jedoch standen die bruecken eine nach der anderen an ihrem ort, als waeren sie die letzten hueter einer laengst vergangenen ordnung, die mit architektonischer aristokratie nur unzureichend umschrieben war. behaebig lag die most łazienkowski auf ihren niedrigen pfeilern und hob sich kaum ueber den horizont, klaglos und ohne ein widerwort trug sie tag fuer tag nichtendenwollende stroeme von autos lastwagen omnibussen von einem ufer aufs andere, als waere sie nie zu anderem bestimmt gewesen. wohl warf man zuweilen aus den augenwinkeln einen blick auf die beiden hohen pfeiler, die mit vereinten kraeften die most siekierkowski trugen, doch meist sah man man vorbei. unuebersehbar zog sich dagegen die most poniatowskiego kilometerlang durch powiśle, bis sie endlich das flussufer erreichte, das sie muehelos und nahezu unbemerkt ueberquerte, und nur die abgebrochene spitze der burgzinnenartigen umrandung an einem der maechtigen pfeilertuerme, folge des wohlgezielten blitzschlags eines ungnaedigen wettergottes, gab auskunft darueber, dass auch diese bruecke nicht gegen alle unbillen ihrer geschichtstraechtigkeit gefeit war. unter ihren schwungvollen boegen zog sich ein unergruendliches labirynth von treppen entlang, von uralten ausgebleichten ariadne-faeden gesaeumt, im schwachen licht gelblicher laternen fiel das regenwasser zur erde wie im inneren einer uralten stropfsteinhoehle. hinter den letzten aufgaengen, die wie alle anderen nirgendwohin zu fuehren schienen, begann das centrum handlowe arkadia, dem unabaenderlich der eindruck anhing, geschlossen und abgewickelt zu sein und das nach ein paar hundert metern tatsaechlich in die undurchschaubar eigenartige betontraegerkonstruktion einer auf ewig unvollendeten investitionsruine ueberging. dort standen an spaeten manchem freitagabend gruppen von jugendlichen, und als haetten sie sich alle laengst verloren geglaubten klischees auf die fahnen geschrieben, stand zu ihren fuessen, unbeachtet, aber unueberhoerbar, ein ghettoblaster oder auch zwei. unweit der kreuzung, an der bushaltestelle, warteten stets nur alte leute. wer hatte dem kind erzaehlt, unter einer bruecke stehend, ueber die in diesem moment ein zug fuhr, haette es einen wunsch frei? unter der most średnicowy musste man nie lange warten, bis der naechste zug zu hoeren oder zu sehen war, jeder verheissungsvoll das versprechen eines weit entfernt gelegenen zieles singend. unbeantwortet blieb stets die frage, ob die fahrtrichtung nach moskau oder paris vielversprechender waere fuer den jeweiligen wunsch, doch fuhren die meisten zuege sicher nur nach radom oder kielce, płock oder otwock. mit erhobenem schwert und schild, so schien es, bewachte die syrena nadwiślańska die most świętokrzyski, deren gefaelliger bogen auf der einen seite dem betrachter das zentrumspanorama so aeussert vorteilshaft darbot und ihn auf der anderen erbarmungslos sich selbst ueberliess zwischen unbeschilderten strassenkreuzungen und eingezaeunten uferauen voller wildwuchs. an der noerdlichen fassade der most śląsko-dąbrowski war die gedenktafel fuer die armia krajowa stets mit blumen und gestecken geschmueckt, unter dem schleifenden bremsen der strassenbahnen verschwanden die autos im tunnel unter dem schloss, und mochte noch an den kommunismus denken, wenn von der trasa wschód-zachód die rede war oder er in der naechsten baeckerei eine wuzetka kaufte? hinter der most śląsko-dąbrowski weitete sich unversehens der blick, um erst in einiger entfernung auf die most gdański zu treffen, die sich erst im naeherkommen als zwei- und sogar dreigeteilt zu erkennen gab und deren stahlkonstruktion im sonnenschein stets die vielversprechenden licht- und schattenspiele herausragender architekturfotographie auf die fensterscheiben der strassenbahnen warf. manchmal entstieg unversehens eindruckheischend ein brautpaar im hochzeitsstaat der tram und posierte vor der postkartenansicht mit altstadt und skyline. selten war auf den hochzeitsfotos eine bruecke zu sehen.

1 komentarz:

  1. wenecja wschodnia albo wszystkie moje mosty II: oestliches venedig oder alle meine bruecken.
    most łazienkowski: lazienki-bruecke.
    most siekierkowski: siekierkowski-bruecke.
    powiśle: warschauer stadtteil am westlichen weichselufer.
    most poniatowskiego: poniatowski-bruecke.
    poniatowski: fuerst józef antoni poniatowski (1763-1813), polnischer nationalheld, wirkte vor allem in der zeit der napoleonischen kriege.
    centrum handlowe arkadia: handelszentrum arkadien.
    płock, otwock: kleinstaedte in der umgebung von warschau.
    syrena nadwiślańska: denkmal der warschauer meerjungfrau an der weichsel.
    most świętokrzyski: heiligkreuz-bruecke.
    most śląsko-dąbrowski: schlesisch-dombrowaer bruecke.
    armia krajowa: heimarmee, nichtkommunistische polnische widerstandsbewegung im zweiten weltkrieg.
    trasa wschód-zachód: ost-west-trasse, 1946/47 eroeffnete verbindungstrasse zwischen der warschauer innenstadt und dem oestlichen stadtteil praga.
    wuzetka: warschauer kuchen, benannt nach der trasa wschód-zachód (abkuerzung w-z, sprich: wuzet).
    most gdański: danziger bruecke.

    OdpowiedzUsuń