środa, 31 marca 2010

kopfkino, schlaftrunken

willkommen zur
spaetvorstellung ab
dreiundzwanzig uhr
eintritt frei
kinder die haelfte
und alle farben bunt
hier laufen sie
nonstop all die
ungelebten moeglichkeiten
auf die sie
nicht im traum
gekommen waeren

poniedziałek, 29 marca 2010

ptaki przylotne albo zapomniana strata

der winter war sehr gross. angefangen vom ersten wintereinbruch, der einen kaum zwei wochen nach ende eines langen spaetsommers ueberraschte und buchstaeblich paralysierte. die stadt stand still, und drei tage berichteten die zeitungen von nichts anderem als von steckengeblieben zuegen und ausgefallenen fluegen, kilometerlangen staus und den in stunden zu bemessenden wartezeiten an bushaltestellen: mitte oktober konnte niemand aus anlass des ersten schneefalls freude verspueren. aber wider erwarten kehrte der herbst noch einmal mit vergleichsweise milden temperaturen zurueck, es blieb sogar weitgehend trocken - man kann fast problemlos in turnschuhen durch den november und hatte damit wahrlich keinen grund zur klage. schliesslich kam der frost und mit ihm der schnee - mitte dezember wiederholte sich das szenario von mitte oktober: die ganze stadt, ja das ganze land stand still unter einer dicken weissen decke. wo schneefall, nebel und frost zusammentrafen, brach mit dem stromnetz das gesamte gesellschaftliche leben zusammen. wochenlang. das polnische stromleitungsnetz bestand die bewaehrungsprobe ebensowenig wie die westlichen energiekonzerne, die es haetten reparieren sollen. nur das weihnachtstauwetter machte eine mustergueltige ausnahme: von 23. bis 27. dezember kletterte das thermometer bestaendig immer hoeher und ueberquerte schliesslich sogar die magische grenze bei null grad. um danach freilich genauso bestaendig wieder zu fallen. sogar die weichsel fror zu - ein selten erlebtes, wundersames naturschauspiel. sehr bald gingen die streusalzvorraete zur neige, wer im unaufhoerlichen schneegestoeber einen schneepflug oder anderes raeumgeraet sichtete, galt als glueckskind. sonst repraesentative, breite buergersteige verkamen zu schmalen trampelpfaden, bald mangelte es an parkplaetzen aufgrund der ueberall sich auftuermenden schneeberge. ein zug von katowice nach gdynia brach den polnischen rekord mit 1025 minuten verspaetung. wochenlang zaehlten die zeitungen jeden tag aufs neue die in die millionen und milliarden gehenden złoty-betraege, die der winter gekostet hatte und noch kosten wuerde. die schneeraeumung freilich entpuppte sich auf einmal als bluehender wirtschaftszweig: die flachdaecher von supermaerkten wurden ebenso zur goldgrube wie die gefaehrlich anwachsenden eiszapfen an den dachfirsten von gruenderzeithaeusern. alltaegliche kurze wege wurdem zum spiessrutenlaufen. der buergermeister eines 300-seelen-dorfes brachte es zu landesweiter beruehmtheit aufgrund der tatsache, dass im kommunalen budget seit jahren kein einziger złoty fuer den winterdienst vorgesehen war: schliesslich, so die aussage des buergermeister, taue jeder schnee frueher oder spaeter von selbst. als sich die temperaturen nach wochenlangem stillstand schliesslich wieder langsam in die hoehe bewegten, tauchten die naechsten schreckgespenster auf. hochwasser. doch zumindest dieser kelch ging ungeleert vorueber, die fluesse blieben in ihren betten, und langsam aber sicher verschwand auch der letzte schnee. ein allgemeines aufatmen war zu spueren, als schliesslich doch ein schwacher gruener schimmer an den baeumen zu erkennen war und als doch noch die schon vergessen geglaubten krokusse zu bluehen begannen.

niemand bemerkte, dass die moewen vor dem fenster verschwunden waren. niemand bemerkte, dass zwischen all den zugvoegeln, die kamen, auch zugvoegel waren, die verschwanden.

czwartek, 25 marca 2010

wielka zagadka rozwiązana

der winter verging unter raetselraten, frieren und sehr viel schnee. lange zeit standen die merkwuerdigen viereckigen behaelter auf den aleje ujazdowskie herum. eines tages war dann doch etwas geschehen, die holzbehaelter waren mit erde gefuellt, in die duerre, jaemmerliche baeume gesetzt wurden. also doch: keine muelleimer, keine streusalzbehaelter, sondern blumentoepfe. und irgendeine staedtische verwaltung hatte den geeignetsten zeitpunkt ausgewaehlt.

die freundliche alte dame sah ich nicht wieder. aber ich war mir sicher, sie wuerde jetzt an mich denken.

środa, 24 marca 2010

osiemdziesiąt osiem albo wycieczka do facebooku

ob es nun faulheit oder sturheit einfach nur der verpasste passende moment war - portaly społecznościowe waren von anfang an merkwuerdig verdaechtig und blieben es auch. natuerlich auf kosten ebenjener kontakty społecznościowe: mittlerweile war es ueberfluessig geworden, telefonnummern auszutauschen, man traf sich bei myspace oder studi.vz - wenn man dort aber gar nicht war? nur unter zwang und aus dienstlichen gruenden loggte man sich tatsaechlich einmal bei facebook ein, ohne freilich im geringsten zu verstehen, was die leute dort eigentlich taten, und heillos ueberfordert. ob man mit achtundachtzig kilogramm koerpergewicht automatisch ein nazi sei, die frage stand gerade im raum. wurde nicht ueberall gewarnt, man solle sorgfaeltig achtgeben auf die informationen, die man preisgab auf verschiedene art und weise im internet? man schuettelte den also den kopf, loggte sich schnell wieder aus und behielt freundlich vor sich, dass man gerade zwei neu erworbene hosen groesse achtundachtzig im schrank liegen hatte, die man die naechsten jahre zu tragen gedachte. fuer alle faelle, vorsicht konnte nicht schaden.

piątek, 19 marca 2010

jonathan darlington dirigiert ohne partitur in der filharmonia narodowa

kein instrument entgeht seiner aufmerksamkeit, jedes bekommt seinen ernsthaften blick, seinen kleinen wink im entscheidenden moment, sein laecheln, das wunder wirkt, und so legen sich die streicherboegen ins zeug, seinen ausschweifenden gesten zu folgen, stehen die toene der blaeser gewehr bei fuss, waehrend der dirigent tanzt. es ist nicht nur der kuehne sprung aufs podium, der das publikum fuer ihn einnimmt, es ist die laessig-elegante verbindung aus japanischem tempelpriester, king arthur und enterprise-commandant: macgyver haette es nicht besser machen koennen. best wishes, schreibt der dirigent, schon in hemd und geloester krawatte, nach dem konzert ins programmheft, krakelig, aber glaubhaft. einem briten muesste man die geschicke dieser welt zur leitung ueberlassen, und alles waere in bester ordnung.

czwartek, 18 marca 2010

małe cuda albo nawet straussa da się kochać

es ist chopin-jahr und schumann-jubilaeum und beethoven-festival, und dann spielt der pianist als dritte zugabe ausgerechnet johann strauss' donauwalzer. eigentlich wohl ein undenkbarer unverzeihlicher faux-pas... aber der pianist interpretiert die uebersattsam bekannte melodie so wundersam leichthaendig und verspielt, dass wohl selbst der komponist sein meistbekanntes werk teilweise nicht mehr wiedererkannt haette...
wunder sind selten geworden in der letzten zeit, aber aus einem konzert zu kommen und beim gedanken an die schoene blaue donau immer noch atemlos zu werden, das gehoert sicherlich dazu.

środa, 17 marca 2010

różnicy kulturalne - dzisiaj: kichanie

ein guter bekannter in berlin war entsetzlich erkaeltet. er nieste zum gotterbarmen am laufenden band. also wuenschte man am laufenden band gute wuensche: glueck, gesundheit, liebe, die erfuellung von traeumen, reichtum, ruhm, abenteuer, zuversicht, geduld, humor, gute laune, viele frauen wuenschte man ihm nicht, er hatte wohl die eine einzige schon gefunden. der bekannte dankte mit verschnupfter stimme und fuhr fort, zu niesen.

nach der rueckkehr nieste die mitbewohnerin. also setzte man auch hier wieder die lange liste der guten wuensche an, wurde aber bald unterbrochen: im polnischen umfasse diese liste immer und ausschließlich drei positionen: na zdrowie, na picie, na współżycie. im grunde also die einfachen, entscheidenden dinge, ueber die man in der zivilisierten westlichen welt aber lieber kein wort verliert. man wuenschte der mitbewohnerin alles gute, sie laechelte vielsagend und putzte sich die nase.

poniedziałek, 15 marca 2010

nadzieja dla kwiatów

zwischen den zentimetergrossen schneeflocken, die um drei uhr nachmittags vom himmel fliegen und die stadt in ein weiss verschwimmendes ungefaehr verwandeln, steht an der ecke vor dem geschlossenen drogeriegeschaeft eine frau mit einem hut aus blauem samt, der die leuchtend roten gelben lila tulpen noch um ein vielfaches ueberstrahlt: ein verfruehter schmetterling zur falschen zeit am falschen ort, aber ein versprechen.

sobota, 13 marca 2010

wiosna po warszawsku

jak wygląda wiosna:

ein schwarz gekleideter mann mit dunkler sonnenbrille, pfeiferauchend und mit einem schwarzen handy telefonierend, neben sich eine flasche cherry-cola, auf einer bank in der mittagspause im park.

tylko że po polsku wiosna jest kobietą.

czwartek, 11 marca 2010

wiosna po berlińsku

jak wygląda wiosna:

ein mann in brauner kutte und mit wollmuetze auf dem kopf, der mit einer digitalkamera zwischen den resten von schnee und streugut eine tote ratte fotografiert, auf einem buergersteig in steglitz.

po niemiecku wszystko się składa.

środa, 10 marca 2010

międzynarodowy dzień kobiet - dopisek

fleurop hat jetzt auch frauentagsstraeusse im angebot.
es gibt noch hoffnung fuer die emanzipation.

poniedziałek, 8 marca 2010

międzynarodowy dzień kobiet

gdybym nie potrzebowała chłopaka, to bym nie miała. (die mitbewohnerin am 08. maerz abends zu ihrem freund)

da ist man nun in polen und damit in einem ostblockland, dort also, wo traditionen mit modernitaet verbunden werden, wo der frauentag noch gilt als solcher und gefeiert wird und wo die frauen also tatsaechlich blumen bekommen dafuer, dass sie frauen sind - moegen es auch keine nelken mehr sein, denn die nelke ist kompromittiert fuer die naechsten hundert jahre mindestens, aus politischen gruenden, aber es gibt alternativen, tulpen sind auch schoen und und fruehlingsblumen und in allen verfaenglichen und unverfaenglichen farben verfuegbar. und tatsaechlich sind ueberall frauen zu sehen, die huebsche, kurzstielige tulpen durch die gegend tragen, es ist ein festtag fuer die tulpenhaendler am strassenrand und die hollaendischen gaertnern und ihren gewaechshaeusern voller gottlob ganz unpolitischer tulpen. aber weder die polnischen kommilitonen noch die polnischen kollegen fuehlen sich bemuessigt, blumen zu ueberreichen oder auch nur den moeglichen anlass als solchen ueberhaupt zu erwaehnen, und trotz der geographischen befindlichkeiten endet der tag in allgemeiner enttaeuschung, so hatte man sich das nicht vorgestellt, sagt man der mitbewohnerin, die ein verstaendnisvolles laecheln aufsetzt und einen grossen bunten lolli aus der handtasche zieht, in tulpenform sogar, und so kommt man doch noch zu seinen langersehnten blumen.
dzisiaj kobiety są tak emancypowane, że wszystko same mogą zrobić, sagt der freund der mitbewohnerin am abend. nawet kwiaty sobie kupić, fuegt die mitbewohnerin mit einem wissenden laechelnden hinzu. der freund der mitbewohnerin nickt, und dann fuehrt er seine freunding zum abendessen aus. es gibt sushi.

gdybym nie potrzebowała chłopaka, to bym nie miała. (die mitbewohnerin am 08. maerz abends zu ihrem freund)
pytanie tylko, po co.

niedziela, 7 marca 2010

transatlantyka IV

spaeter kommt auch der irische reisegruppenleiter vorbei, er verteilt evaluationsboegen - private and confidential! steht auf dem umschlag - und informationsblaetter ueber warschau, auf einer din-a4-seite alles wichtige ueber die stadt: dass warschau eine flaeche von 200 square miles bedeckt - "oh my gosh!" sagt kate, und "oh my gosh!" denkt auch der europaeer, dem diese zahl so gar nichts sagt, erst langsam faengt sein gehirn an, laengst vergessene informationen zum umrechnungsverhaeltnis von meilen und kilometern hervorzuholen und eine ungefaehre vorstellung zu entwickeln, die in seinem weltbild mit sinn gefuellt ist, es wird schon stimmen - dass es die hauptstadt polens ist, daß es ueber eine altstadt, ein koenigsschloss und eine koenigliche parkanlage verfuegt, dass der name der stadt nicht uebersetzbar ist oder jedenfalls nicht mit einer bedeutung versehen, es folgt die legende von der so gar nicht mit andersons meerjungfrauen vergleichbaren syrena von warschau, die auch das wappen der stadt schmueckt, und dem hinweis, dass es zwei verschiedene aufstaende gegeben habe, naemlich 1943 den im getto und 1944 den groesseren in warschau selbst. der weitere reiseplan sieht krakau und prag vor, wie der reiseleiter erlaeutert, auf dem weg nach krakau wird auschwitz zu besichtigen sein: morgens sightseeing, nachmittags freizeit in krakau. krakau, ob das schindler's liste sei, fragt der uebergewichtige amerikaner, was bestaetigt wird. schindlers liste wuerde er gerne sehen, sagt der amerikaner weiter, an dem nachmittag sollte es nicht noch zusaetzliche programmpunkte geben. diese meinung scheint allgemein anklang zu finden und wird also so zu den akten genommen, worauf der reiseleiter das abteil verlaesst, um auch den uebrigen teilnehmern der reisegruppe den neuesten planungsstand mitzuteilen. nun kommt wieder einmal der 13-jaehrige adam ins abteil, der sechste platz ist ja gerade frei geworden. ob der zug elektrisch betrieben sei, wird nun gefragt, was der fall ist. davon koennten die amerikaner nur traeumen, elektrifizierte eisenbahnlinien kreuz und quer durch das land, der klimawandel, und inlandsflugverbindungen waeren heutzutage ja vollkommen hirnrissig. amerika muesste da noch viel lernen, amerika muesste ueberhaupt endlich erwachsen werden - an dieser stelle schuettelt das gute, alte europa nur weise sein ergrautes haupt und schweigt bedaechtig - aber bush und seine kollegen haben das land nun gerade wieder einmal acht jahre zurueckgeworfen. also eisenbahnlinien oder auch strassenbahnen in den staedten, nur der 13-jaehrige adam moechte lieber ubahnen haben, am besten auch fuer fernverbindungen, wenigstens ein hauch von fortschritt und technikglaeubigkeit, ubahnlinien kreuz und quer durch das land und natuerlich elektrifiziert. und ja, die strecke sei nicht mit diesel betrieben, antwortet adam auf die frage der 72-jaehrigen helen simon, das koenne man an den strommasten sehen. eisenbahnen sind also gut und fortschrittlich, bio-produkte aber ueberhaupt nicht, das sei alles ein einziger betrug und die verkaeuferin im supermarkt haette selbst zugegeben, dass die erdbeerpackungen einfach nur umetikettiert wuerden. wo man nun also schon halb bei politik ist, scheint die frage nach obama angemessen, wenn europaeer auf amerikaner treffen, steht ja immer die frage im raum, wie man es denn nun mit obama haelt. begeistert waeren sie gewesen in michigan, ein wundervoller tag sei das gewesen, helen simon war sogar auf wolke neun an dem tag, als obama praesident wurde, und das als afroamerikaner, und wo doch sonst diskriminierung immer noch nach hautfarbe, geschlecht und behinderung funktioniert, und erst wenn eine schwarze frau im rollstuhl vorstandsvorsitzende eines großen konzerns werden koenne, waere die welt in dieser hinsicht in ordnung... aber obama ist vielleicht ein erster schritt in diese richtung, und die amerikaner hoeren gerne, dass ihr neuer praesident auch in europa seine zahlreichen anhaenger und befuerwoerter hat, die grosse hoffnungen auf ihn setzen, man koennte sich ja vielleicht mal treffen auf wolke neun. natuerlich haette er es nicht leicht, aber in einem jahr saemtliche versaeumnisse der letzten acht jahre aufzuholen und all die suppenteller auszuloeffeln, die bush und kollegen dem land eingebrockt haben, das sei bei lichte betrachtet zuviel verlangt... von der politik wandern die gespraeche wieder zu den familiengeschichten, wie die großmutter heimlich die naehmaschine verkaufte, wichtigster besitz und einkommensquelle der familie, um der tochter die ueberfahrt nach amerika zu bezahlen, um deren auskommen sie fuerchtete, denn geerbt hatten nur die soehne, oder wie der alkoholabhaengige vater, der das monatsgehalt in einer nacht versoff und bei der heimkehr am fruehen morgen in seinem alkoholischen stupor beschloss, seine fuenf kinder zu erschiessen waere die loesung aller probleme, worauf die mutter das gewehr auseinandernahm und jedem der fuenf kinder einen teil davon gab, das dieses in seinem allergeheimsten versteck zurueckliess, am naechsten morgen ernuechtert konnte der vater sein gewehr nicht finden, war aber auch nicht in der lage, sich an irgendetwas zu erinnern, und die kinder hielten stand und schwiegen und hueteten ihre verstecke - und irgendwie waren sie doch alle nach amerika gekommen, damals in den 30er jahren, als sechs dollar im monat noch viel miete waren fuer ein ganzes farmhaus irgendwo in michigan und nicht einmal die billigste...
in warschau laesst man sich dann den rucksack vom gepaeckgitter reichen - don't harm helen! die aber unter den groessten koffern sitzt - ueberlaesst die reisegruppe ihrem irischen reiseleiter, der sich um bus, hotel, wechselstube und mittagessen kuemmern wird, sucht ein gepaeckfach und einen coffeeshop und hat es ueberhaupt sehr eilig: der freiberufler auf dem weg zur arbeit - in der tasche einen schokoriegel der marke quaker, importiert aus michigan/amerika, wo es genauso aussieht wie irgendwo in brandenburg an der bahnstrecke zwischen berlin und frankfurt oder.

czwartek, 4 marca 2010

transatlantyka III



der 13-jaehrige adam mit seinen schuhen in groesse 44 kommt immer wieder einmal auf der suche nach anschluss vorbei und nimmt den letzten verbleibenden freien platz ein - das arme kind langweilt sich, da seine mutter im anderen abteil im naechsten wagen entweder liest, schlaeft oder sich auf polnisch mit einer polnischen mitreisenden unterhaelt, und andere kinder im gleichen alter gibt es in der reisegruppe nicht, adam ist sozusagen allein auf der welt. adam wird fuer ein paar minuten geduldet und dann mit ein paar freundlichen scherzen wieder des abteils verweisen, kleinlaut und hoffnungsvoll kehrt er zurueck, weil die automatiktueren zwischen den waggons zu oeffnen ihm nicht gelingen will, vermutlich gegen seinen willen wird ihm aber sofort hilfe angeboten und die rueckkehr in dieses paradies auf raedern zur freude der uebrigen reisegruppenteilnehmer verwehrt. um auf die frage nach der schuhgroesse zu antworten, muss adam nachschauen, er bekommt die schuhe von seiner mutter gekauft und hat sich mit derartigen fragen noch nie beschaeftigt. "oopsy daisy!" sagt kate mit einem entschuldigenden lachen. spaeter wird die rede auf den alkoholkonsum junger menschen in amerika und europa kommen, die amerika vermuten, dass die jungen europaeer nicht ganz so verrueckt und ausgehungert nach alkohol sein sollten wie die amerikaner mit 21 jahren, wenn sie zum ersten mal zutritt zu diesen wundermitteln erhalten, die jungen europaeer koennen ja schon mit 16 jahren erstmals bier zu sich nehmen ganz legalerweise - doch der europaeer weiss, dass das andererseits dem bedarf an alkohol keinen abbruch tut, wie all die bz-schlagzeilen ueber flatrate-parties und jugendliche abstuerze zeigen. adam waere genau in dem alter, um mit dem trinken anzufangen - "he's thirteen!" wird entsetzt eingeworfen, ja genau... adam schaut etwas verlegen, und seine mutter hat das zum glueck nicht gehoert, die kurz darauf auf der suche nach ihrem kind vorbeikommt, freigiebig verteilt sie amerikanische schokoladenriegel der marke quaker, brausepulver und pulverkaffee in kleinen paeckchen, sie muß einen ganzen koffer davon mitgebracht haben. es handelt sich tatsaechlich um eine polnischsprechende amerikanerin, wenn sie auch nicht ganz akzentfrei spricht, das fehlen jeglicher zischlaute an den zugehoerigen stellen verleiht ihrer aussprache etwas ungewollt russisches und ist insofern verwunderlich, als alle anderen reisenden fast fortwaehrend ein mit zischlauten geradezu ueberladenes "oh my gosh!" von sich geben. adams mutter ist die einzige, die sich nicht auf dem verbleibenden freien sitzplatz im abteil niederlaesst, der auf die uebrigen teilnehmer der reisegruppe und insbesondere auf adam eine so große anziehungskraft ausuebt, sie sucht, ihren muetterlichen instinkten folgend, auch die uebrigen abteile der reisegruppe auf, fuersorglich schokolade und brausepulbver verteilend.

środa, 3 marca 2010

transatlantyka II

die amerikaner fragen freundlich und leutseulig nach dem befinden, das ausgezeichnet und wonderful ist, und nach dem heimatland. die antwort, es waeren wohl genau diese zuege wie der, in dem man sich gerade befindet, wird, obwohl moeglicherweise sogar wahrheitsgemaess, als zu philosophisch verworfen, die frage daher nach einer weile nochmals hoeflich wiederholt und diesmal auch pflichtschuldigst mit der angabe von stadt-land-fluss beantwortet. berlin findet natuerlich anklang, als schoene neue deutsche hauptstadt, es sei aber doch zuletzt deutlich schmutziger als frueher, offenbar muss der winter sehr hart gewesen sein... die amerikaner ihrerseits stammen aus michigan, wie sich herausstellt, und nachdem der zug berlin verlassen hat und durch die sandbodigen maerkischen kiefernwaelder faehrt, stellen sie ueberrascht fest, dass es hier ja genauso aussieht wie zuhause, wenn man nach chicago faehrt - allerdings nur auf der rechten seite des zuges, denn dort liegt noch schnee, und davon gab es in diesem winter in michigan mehr als genug, selbst in alabama, florida und sogar in new mexico. man stelle sich vor, an einem tag hat es in 49 von 50 amerikanischen bundesstaaten geschneit, da hat sich der wettergott ja fast selbst uebertroffen. kate erinnert sich an ihre dienstzeit im amerikanischen ermittlungsdienst in berlin von 1985 bis 1988, sie hat sogar ein paar fotos dabei, die sie vorzeigen kann, der checkpoint charlie ganz ohne sandsaecke, das ist geschichtsklitterung, was die heutigen museumsinhaber da betreiben, wie man das zulassen koenne, entruestet sie sich, es weiss aber niemand eine antwort - die glieniecker bruecke und die grauen dienstwagen der sowjets, die amerikaner haben die sowjets beobachtet und fotografiert und die sowjets die amerikaner, darueber wussten beide seiten bestens bescheid, das waren die regeln des spiels, den deutschen grenzschuetzern haben die amis kaugummi ueber die mauer geworfen, um ihnen eine freude zu machen, was regelmaessig gelang...
die 72-jaehrige helen simon, die in ihrem roten pullover am fenster sitzt, wenn sie nicht gerade das refreshment car oder den restroom ausprobiert, stellt verwundert fest, daß der zug richtung westen faehrt, naemlich nach frankfurt, obwohl er auf dem weg nach polen ist, dass bekanntlich oestlich von deutschland liegt, es stellt sich aber heraus, dass es in deutschland die stadt frankfurt tatsaechlich zweimal gibt: einmal im westen, einmal im osten, einmal mit, einmal ohne skyline und banken. die 72-jaehrige helen simon nickt. ihre vorfahren stammen aus einem dorf in der naehe von ludwigsburg, in dem sie auch schon gewesen ist, dessen namen sie aber immer wieder vergisst. aus dem restroom kehrt sie begeistert zurueck: "it's so big, you can play soccer in it!" - "it's handicapped!" - so geht die polnische grenze fast unbemerkt vorueber. die haeuser sind ueberraschenderweise nicht alle aus holz gebaut, die rehe aber sind ungewoehnlich klein hier, es gibt sehr viele davon. als ein paar uniformierte grenzschuetzer und bahnschutzbeamte auf dem korridor zu sehen sind, zuecken die amerikaner sofort die paesse, die grenzschuetzer sind aber an amerikanischen paessen ganz und gar nicht interessiert und lassen sich auch auf nachfrage nicht zu kontrolle und stempel bewegen, zumal sie stempel angeblich ueberhaupt nicht mehr mitfuehren auf ihren zugegebenermassen nur noch seltenen kontrollgaengen in fahrenden zuegen, lediglich ueber hochkomplizierte elektronische lesegeraete für die neuerdings in den paessen kodierten biometrischen daten. spaeter wird die 72-jaehrige helen simon mit ihrem ruehrend zitternden kinn fragen, ob ihr nachname auch in deutschland gebraeuchlich waere, was durchaus der fall ist, gebraeuchlicher ist er aber als vorname, wie ja uebrigens auch in great britain. in amerika ist der nachname wiederum besonders bei einwohnern mit europaeischen wurzeln verbreitet, und bei juedischen amerikanern. "but we are catholic", wird die 72-jaehrige helen simon diskret hinzufuegen, "we are not jewish".

poniedziałek, 1 marca 2010

transatlantyka I

abteil oder grossraumwagen, das ist in bezug auf zugreisen die gewissensfrage ueberhaupt, wie passionierte bahnfahrer wissen - also jene alles andere als bodenstaendigen menschen, die aus meist freiberuflichen gruenden unterwegs sind und sich dabei unausgesetzt exotische erkaeltungen einfangen, die sie dann aus abneigung gegen althergebrachte hausmittel nicht wieder loswerden. ausser frage steht dagegen, dass eine bahnfahrt ohne fensterplatz keine wirkliche bahnfahrt ist. unter die argusaeugige beobachtung eines exzessiv kundenorientierten service-angestellten der deutschen bahn gestellt, der den kunden die benutzung der neuesten fahrkartenautomaten erklaert - im uebrigen auch keine sehr bodenstaendige art, fahrkarten zu erwerben, und daher dem modernen vielfahrer an sich hoechst angemessen, aber auch der moderne vielfahrer hat gelegentlich nostalgische anwandlungen und wuenscht sein ticket von hand gedruckt - kann es aber zu tippfehlern kommen. schliesslich moechte niemand mehr zeit als unbedingt notwendig in einem reisezentrum voller auslaendischer touristen, urdeutscher blauuniformierter schalterbeamten und eben jenem kreischend roten kundenberater mit brille verbringen, schon gar nicht im als touristenmagnet verschrieenen und verhassten berliner hauptbahnhof. wenn das unglueck schließlich bemerkt wird, hat es seinen lauf bereits genommen, es ist schon alles zu spaet und umtauschen angesichts des allgemeinen interesses, das das kundenzentrum im hauptbahnhof hervorruft, keine alternative. fluchend fuegt sich der freiberufler also in sein schicksal, verwuenscht seine dummen nostalgischen anwandlungen und findet an einem montagmorgen kurz nach sechs uhr sein abteil von vier amerikanern besetzt vor, von denen zwei so uebergewichtig sind, dass der letzte verbleibende freie platz auch nicht mehr ins gewicht faellt - vier von insgesamt siebzehn amerikanern im uebrigen, in begleitung eines irischstaemmigen reiseleiters, und alle wiederum auf den spuren deutscher, polnischer oder tschechischer vorfahren durch europa unterwegs. drei frauen, ein mann, zwei der frauen tragen deutlich sichtbare, grosse kreuze und marienbilder um den hals, auf dem weg nach polen sind sie sicherlich auf einem guten weg, nur kate, die am gang sitz und reisekrankheit hat und die deshalb nur vorwaerts fahren kann, traegt eine goldschimmernde stele mit vier hieroglyphen um den hals, ihr vorname, wie sie spaeter erklaeren wird, wenn sie stirbt oder ermordet wird, kann der finder oder moerder den anhaenger zu ihr nach hause schicken, es muesse dann wohl aber ein aegypter sein... - "oopsy daisy!" erwidert kate auf diese bemerkung - womit bewiesen waere, dass "oopsy daisy!" nicht nur erfunden oder irgendwelchen dummen amerikanischen komoedien entnommen ist, sondern tatsaechlich verwendung findet im alltaeglichen sprachgebrauch.