er laechelte mich immer noch an. dennoch, wandte ich schliesslich ein, koennen sie nicht verneinen, dass reisen veraenderung bedeutet, bewegung, wechsel... - gewiss, erwiderte er, das eisenbahnfahren gilt als metapher fuer bewegung, fuer den schnellen wechsel von orten und landschaften, doch auch das ist eine taeuschung. sie sehen schliesslich selbst, der blick aus dem fenster eines zuges ist doch immer ein statischer. wie zur demonstration schaute er einige sekunden lang schweigend aus dem fenster, vor dem ein grauer himmel und erdbraune felder vorbeizogen. - wissen sie, in meiner jugend war ich haeufig gast des einzigen kinos in der stadt, in der ich das licht der welt erblickte, fuhr er dann fort. es gab dort ein café, dessen interieur dem interieur eines zuges nachempfunden war. die tische standen in kleinen nischen wie im speisewagen eines zuges, und vor den auf die wand gemalten fenstern zog eine sommerliche landschaft vorbei: der himmel war blau, auf den huegeln stand goldgelb das korn, in der ferne war ein lichter birkenwald zu ahnen. sie werden verstehen, dass dieses café zu meinen bevorzugten aufenthaltsorten gehoerte, waehrend der langen jahre, in denen ich mir noch keine fahrkarten leisten konnte, und ich muss gestehen, dass ich manchen film nicht gesehen habe, fuer den ich ein billet erworben hatte. er wandte mir seinen blick wieder zu. die wand dieses kino-cafés entsprach jedoch genau dem, was sie in diesem moment in diesem zug sehen: sie sehen einen gang, sie sehen fenster, abteile, und die verschiedenen landschaften und orte, die doch - wollte man sie ernst nehmen - den eigentlichen inhalt der metapher bilden sollen, sind nicht als wechselnde hintergrundgestaltung. sobald sie sich in einem zug befinden, sind sie ein besucher, ein zuschauer, ein beobachter, der fluechtige blicke wirft, der freundlich, aber unbeteiligt zur kenntnis nimmt. sie verstehen aber erst etwas vom leben, wenn sie laengere zeit an einem ort sind. dann erst bekommen sie das zu sehen, was man im grunde genommen das leben nennen kann. wenn sie sich jedoch in einem zug umschauen, sehen sie immer nur ausschnitte, ausschnitte aus etwas groesserem vielleicht, das sich erahnen laesst, aber alles, was sie sehen, sind momentaufnahmen. sie sehen, genau genommen, momentaufnahmen von menschen, menschen, die von einem ort kommen, und menschen, die an einen anderen ort wollen, aber alle diese menschen, die sie sehen, wenn sie reisen, sind nicht an dem ort, wo sie sie treffen. und das entscheidende ist: sie wollen es auch gar nicht sein. diese menschen kaufen eine platzkarte, damit sie ihren koerper auf einem sitz ablegen koennen, waehrend sie mit ihren gedanken ganz woanders sind.
der zug hatte gehalten und fuhr nun wieder an, auf dem gang liefen ein paar personen an unserem abteil vorbei, aber keine blieb stehen, klopfte an die tuer oder schaute auch nur herein. - aber koennte es nicht sein, dass genau dieser umstand diesen menschen eine groessere freiheit gibt, losgeloest von den gewoehnlichen bindungen an orte, plaetze, positionen? wandte ich mich wieder an den mann, der mich unverwandt angeschaut hatte. koennte es nicht sein, dass die menschen auf reisen sich als die zeigen, die sie wirklich sind? - wenn sie es so nennen wollen, sagte der mann mit einem leichten laecheln um die mundwinkel, zumindest zeigen sie manchmal ihr wahres gesicht. wir schwiegen. sie muessen das einmal so sehen, fuhr der mann schliesslich fort, sie reden von der freiheit, aber was ist das für eine freiheit, wenn die gesamte strecke gesaeumt ist von schranken und warnschildern...
Subskrybuj:
Komentarze do posta (Atom)
dojazd pociągiem jednotorowym albo życie z perspektywy kolej IV: eingleisige zugfahrt oder das leben aus der perspektive der eisenbahn IV.
OdpowiedzUsuń