niedziela, 27 września 2009

marie antoinette oder was kostet das leben 4

das meer war blau. das meer war blau und an manchen stellen gruen wie in den bildern von der suedsee. jedenfalls erschien es mir so, wenn ich auf dem leuchtturm stand und auf die umgebung blickte. der sandstrand leuchtete weiss in der sonne, soweit man ihn sehen konnte zwischen hunderten von handtuechern, decken und windschutzen, und alle hundert meter wehten die roten oder gruenen fahnen der rettungsschwimmer. dir war der strand zu voll, du murmeltest etwas von wie auf mallorca und brachtest deine badesachen ins hotelzimmer zurueck. aber du warst bereit, auf meine tasche und mein handtuch aufzupassen, unbeeindruckt auf der ufermauer sitzend und in einen deiner endlosen romane vertieft, waehrend ich verbissen die hundert meter zwischen den buhnen von rechts nach links und von links nach rechts zurueck schwamm, immer am aeussersten ende des abgegrenzten badebereichs und stets von den bademeistern zurueckgepfiffen, wenn ich aus versehen doch einmal die imaginaere linie von boje zu boje ueberquerte.
auf die leuchttuerme wolltest du mich aber nicht begleiten, die mich in jedem ort magisch anzogen. du verschanztest dich hinter deiner hoehenangst und wartetest auf den treppenstufen zum eingang oder im naechsten cafe. ich liebte die leuchttuerme, nicht wegen des ausblicks ueber das meer und die landschaft und auch nicht wegen ihrer eignung fuer metaphern, sondern weil mir das leben uebersichtlicher erschien und die menschen vorhersehbarer, wenn ich aus einer gewissen hoehe auf sie hinabsehen konnte. meine reisefotos bestanden aus den aufnahmen eines aus zwanzig oder dreissig metern hoehe im 90-grad-winkel auf die erde gerichteten objektivs. was kostet das leben, fragte ich dich, als ich von einem meiner beobachtungsposten zurueckkehrte, und du zeigtest auf mein ticket und sagtest, eine eintrittskarte ohne ermaessigung. danach gingen wir essen.
auf der rueckfahrt versaeumten wir es, rechtzeitig die fahrkarten zu kaufen. es war ein samstag, an diesem tag wurden die belegschaften der hotelzimmer, der pensionen und ferienwohnungen ausgetauscht, und beim anblick der schlangen vor den fahrkartenschaltern zogen wir es vor, den aufschlag in kauf zu nehmen und die fahrscheine im zug zu kaufen, anderenfalls haetten wir unseren zug ohnehin nicht mehr erreicht. wir fuhren abends, der zug war leer, der schaffner, der schließlich kam, nickte nur und verwies uns an seine kollegin. die schaffnerin nickte ebenfalls, schloss die tuer des abteils und suchte aus ihrer tasche block, stift und entfernungstabellen. sie rechnete lange und umstaendlich entfernungen und aufschlaege zusammen, nannte uns einen preis und fragte, ob wir die fahrscheine tatsaechlich benoetigten. wir verstanden den sinn ihrer frage nicht, zuckten die schultern und schuettelten schliesslich die koepfe. die schaffnerin nickte, gab uns die haelfte des geldes zurueck und stand auf. wir schauten sie unglaeubig an. um weitere kontrollen sollten wir uns keine sorgen machen, sagte sie noch, als sie das abteil verliess, das sei jetzt ihre angelegenheit, sie wuerde auf uns aufpassen. fuer den rest der zugfahrt sahen wir keinen einzigen schaffner mehr.
wir lagen auf den sitzen und schauten in den dunkler werdenden abendhimmel. du haettest dich also geirrt, sagte ich, es gaebe also doch eintrittskarten mit ermaessigung. du schuetteltest aber den kopf und meintest, dies sei ein irrtum und vom leben nicht vorgesehen, moral habe ihren eigenen preis. der zug fuhr langsam durch eine fast schon ein wenig bekannte landschaft, wir fanden es angenehm, noch nicht angekommen zu sein. und ich weiss nicht, ob wir nicht doch das wort heimat im kopf hatten und es ausprobierten in gedanken und versuchten, uns vorzustellen, wie es waere, hier heimisch zu sein. was kostet das leben, fragte ich dich am bahnhof, bevor wir uns trennten. du gabst mir den geldschein, den du von der schaffnerin zurueckerhalten hattest, und sagtest, im ganzen nicht mehr als die summe aller teile.

Brak komentarzy:

Prześlij komentarz