piątek, 15 stycznia 2010

ueber-schlesien

schlesien war "ponury", trostlos und griesgraemig in einem wort - das ruhrgebiet polens sozusagen, eine grossartig zersiedelte kohle- und stahlregion, fuer die irgendjemand einmal das wort "metropolprovinz" erfunden hat. das klang fast so schoen wie die formulierung von der "zentralen peripherie europas", die ein paar kulturwissenschaftler fuer goerlitz erdacht hatten, das bekanntlich genau auf dem 15. meridian lag und damit in einer imaginaeren mitte des kontinents. zwischen dem deutschen niederschlesien und dem polnischen niederschlesien, zwischen goerlitz und gliwice bestand im grunde kein sehr grosser unterschied. alles, was in goerlitz fehlte, war die kohle, und der zugehoerige dreck.
dafuer gab es auf dem markt in gliwice noch die unschlagbaren bergarbeitersohlen aus fuenf millimeter dickem filz fuer unschlagbare fuenf złoty. eine zweitagesfahrkarte fuer den nahverkehr kostete neun złoty, man konnte von gliwice zwei stunden lang mit dem bus nach katowice fahren, durch doerfer und kleinstaedte, die frueher einmal hindenburg gehiessen hatten und nun zabrze hiessen. es gab auffallend viel backsteingotik, und ueberhaupt hiess es, die gegend sei sehr deutsch. nachts auf der schaukel im park, mit blick auf die kirche, war zeit zum nachdenken. wer hatte festgelegt, dass kirchen deutsch zu sein hatten, wenn sie gotisch waren oder aus backstein erbaut? fuer die kulturelle naehe sprach vielleicht eher, dass die ersten aldi-geschaefte in polen ausgerechnet in schlesien eroeffnet wurden. in katowice, dem zentrum des polnischen ruhrgebiets, nur ohne den koelner dom, hatte die galerie fuer zeitgenoessische kunst kleine handgranaten in rotweiss zu ihrem logo erkoren. die kongresshalle um die ecke, errichtet in den 70er jahren, sah aus wie ein eben gelandetes ufo. das hotel "katowice", 1965 im herzen der stadt erbaut, verstroemte verstaubten sozialistischen charme, das hotel war bekannt fuer billige zimmer, die nie ausgebucht waren. das schlesische museum, fuer das die ersten planungen schon 1920 entstanden waren und das dann doch erst nach 1945 gebaut wurde, hatte am wochenende ab drei uhr nachmittags fuer besucher geschlossen. die fussgaengerzone war leer und verlassen, in der ulica warszawska standen viele haeuser leer. es blieb nicht viel zu tun an so einem sonntagnachmittag, milchkaffee mit amaretto stand nicht auf der karte. die kellnerin servierte wie gewuenscht, jedoch nur auf eigene verantwortung.
eigentlich doch eine schoene gegend mit interessanter geschichte - haette man sagen koennen. aber vielleicht war das nur die unvermeidbare folge einer fahrt durch all die schlesischen doerfer und kleinstaedte mit ihren altmodisch gutbuergerlichen, aber zum untergang verurteilten einzelhandelsgeschaeften, ihren eifrig in weihnachtsfarben geschmueckten und trotzdem menschenleeren hauptstrassen, den stillgelegten strassenbahnen und den an den stadtraendern in die hoehe und breite gezogenen einkaufscentern mit parkhaus, kino und kirche, dass man es schliesslich mit dem freudschen "ueber-schlesien" zu tun bekam. das schien zwangslaeufig, wenn man sich in dieser gegend aufhielt. auf dem bahnhof, beim warten auf den zug, der verspaetung hatte, war zeit zum nachdenken. wer hatte gesagt, dass freuds grundsaetze der psychonalyse nur in wien gueltigkeit haben sollten?

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