środa, 13 stycznia 2010

prowokado albo lekcja historii powszechnej

in gliwice ist die hauptattraktion die radiostation oder vielmehr deren sendemast, der die hoechste holzkonstruktion der welt ist - der schlesische eiffelturm. dass er tatsaechlich aus holz ist, sieht man nur aus der naehe, von weitem denkt man an die stahlkonstruktionen von hochspannungsmasten. die messingschrauben, die den turm zusammenhalten, sind an die 40 zentimeter lang, die muttern werden jahr fuer jahr nachgezogen. das zugehoerige museum besteht aus dem raum der ehemaligen radiostation, in dem es im grunde wenig zu besichtigen gibt.

das museum war verschlossen, obwohl ein aushang es als geoeffnet auswies. nach betaetigung der an der tuer angebrachten klingel erschien der museumsleiter. er zeigte sich aeusserst erfreut ueber gaeste, wies hoeflich den weg, verschwand fuer ein paar minuten, um daunenjacke gegen jacket und weste mit offiziellem namensschild zu tauschen, und begann derart standesgemaess seinen halbstuendigen vortrag. es gelang ihm als diplomierten ingenieur und radiotechniker aussergewoehnlich gut, die kulturwissenschaftlichen aspekte des ueberfalls auf den "sender gleiwitz" am vorabend des 2. weltkriegs herauszustreichen. die these etwa, dass das auftreten von nationalgefuehlen in schlesien mit der einfuehrung des radios zusammenfiele, wird jedem lokal-kolorit-historiker interessant und einer untersuchung wuerdig erscheinen. der ueberfall selbst war natuerlich ganz von selbst ein historisches ereignis als solches und verfuegte damit ueber einen quasi unuebersehbaren kulturwissenschaftlichen aspekt, auch wenn er zu unrecht fuer den ausloeser oder entscheidenden vorwand des weltkriegs gehalten wird. grenzprovokationen und andere vorwaende und ausloeser hatte es bereits genug gegeben im august 1939 entlang der deutsch-polnischen grenze und im sogenannten korridor - wobei die situation im 1920 geteilten oberschlesien aehnlich gewesen sein muss wie im geteilten berlin, mit entlang der grenze geteilten haeusern, exterritorialen straßenbahnlinien und aehnlichem. wer weiss das schon noch? aber zurueck zum vorabend des zweiten weltkriegs, zu den provokationen, vorwaenden und ausloesern.
"herr hitler", wie der museumsfuehrer erklaerte, der, obwohl in polen oft nur der "dumme maler" genannt, aber keineswegs dumm, sondern durchaus schlau und gewitzt war, war sich ueber die lage auf das genaueste im klaren. "herr hitler" kannte aber auch die geheimen protokolle des genau zu jener zeit, im august 1939, geschlossenen franzoesisch-polnischen und britisch-polnischen beistandspakts, die polen der franzoesischen und britischen militaerischen unterstuetzung frankreichs und englands in einem deutsch-polnischen kriege zusicherten, jedoch nur unter der ausdruecklichen bedingung, dass selbiger krieg nicht von polen begonnen wuerde. und auch wenn "herr hitler" sich gewiss denken konnte, dass die franzosen denn deutschen nicht alles unbesehen glauben wuerden, vor allem nicht wenn es um polen ginge, so sollten sie zumindest einen vorwand erhalten, an der westgrenze deutschlands keine kriegerischen handlungen anzufangen. denn soviel wusste "herr hitler" immerhin auch, dass den franzosen an ebensolchen kriegerischen handlungen nicht sonderlich gelegen war. nach dem ueberfall auf die radiostation in gleiwitz konnten die franzosen mit gutem grund oder gutem vorwand darauf warten, daß "herr hitler" persoenlich nach paris kaeme und es ihnen erklaerte. was er im sommer 1940 auch tat, und zwar so deutlich, dass sich die franzosen bis heute nicht davon erholt haben, fuegte der museumsfuehrer hinzu, wozu die deutschen museumsbesucher eher betreten als hoeflich schwiegen. dass die franzosen wegen gleiwitz hinter ihrer marginot-linie blieben, schien ebenfalls eine sehr interessante these zu sein. wobei allerdings der zusammenhang zwischen dem ueberfall auf die radiostation in gleiwitz und der militaerischen untaetigkeit frankreichs zu beginn des zweiten weltkriegs womoeglich nicht jedem lokal-kolorit-historiker aehnlich untersuchungswuerdig erscheinen wird wie der zusammenhang zwischen der einfuehrung des radios in oberschlesien und dem entstehen von deutschen und polnischen nationalgefuehlen in diesem landstrich.
der ueberfall selbst war ein so aussergewoehnlich spezielles unternehmen, dass er nicht einmal einen speziellen decknamen erhielt, und so geheim, dass einfach alles schiefging, was nur schiefgehen konnte. die zur durchfuehrung des ueberfalls ausgewaehlten ss-maenner waren zwei wochen vor ort, jedoch war es ihnen strengstens verboten, die radio-station irgendjemandem gegenueber auch nur mit einem wort zu erwaehnen. anderenfalls haetten sie moeglicherweise erfahren, dass es in gleiwitz zu jener zeit zwei verschiedene radiostationen gab, die alte, in der die aufnahmen gemacht wurden und wo sich also die studios befanden, und die neue, die ausschliesslich sendete. dort befand sich lediglich ein "sturmmikrophon", mit dem der leiter der radiostation bei gewitter und aehnlichen wettererscheinungen die hoerer über die abschaltung des senders informieren konnte, bevor die antenne des schlesischen eiffelturms herunterfuhr, die anschliessend als blitzleiter funktionierte, um die holzkonstruktion des sendemastes zu schuetzen. beide stationen waren ungefaehr fuenf kilometer voneinander entfernt. das erfuhr die geheime einsatzgruppe aber erst am ort des geschehens, der neuen radiostation. anderenfalls haetten sie womoeglich auch erfahren, dass an jedem donnerstag in der alten radiostation nicht gearbeitet wurde, weil regelmaessig einmal die woche zu dieser zeit wartungsarbeiten vorgenommen wurden; die neue radiostation uebertrug in dieser zeit das programm des senders breslau. der 31. august 1939 war ein donnerstag. die aktion wurde demnach am donnerstag nachmittag ausgefuehrt. das codewort fuer den solcherart voellig misslungenen ueberfall ohne decknamen lautete: grossmutter gestorben.
die landlaeufig bekannten einzelheiten entsprechen jedoch nicht den tatsachen, wofuer wiederum hauptsaechlich die amerikaner verantwortlich zu machen waeren, wie der museumsfuehrer erklaerte. allerdings koenne man ihnen nicht einmal vorsaetzlich boeses handeln vorwerfen. es handelte sich um ausschliesslich um uebersetzungsfehler - auch dies ein aeusserst dankbares thema kulturwissenschaftlicher untersuchungen, beeilte sich ein deutscher museumsbesucher einzuwerfen. diese uebersetzungsfehler wurden jedoch nie aufgeklaert, da die entsprechenden dokumente nie veroeffentlicht wurden - es handelte sich dabei um die vernehmungsprotokolle des anfuehrers der so aeussert geheimen aktion, der als zeuge in den nuernberger prozessen befragt, aber nicht angeklagt wurde. fuer ihn als beteiligten oder anfuehrer noch anderer derartiger aeusserst geheimer aktionen war es ein leichtes, vor beginn des prozesses aus dem internierungslager zu fluechten, in dem die minderschweren faelle der nuernberger prozesse festgehalten wurden. auf diese art weiterhin im besitz seiner freiheit und freizuegigkeit lebte er einige zeit in argentinien und spaeter in hamburg, wo er die geschichte des ueberfalls auf die gleiwitzer radio-station in medientauglichen haeppchen gewinnbringend an verschiedene zeitungen und fernsehsender zu verkaufen verstand. bevor die geheime aktion ohne decknamen jedoch erneut gegenstand eines diesmal deutschen prozesses werden konnte, starb der derart reich gewordene mann unter ungeklaerten umstaenden. jedenfalls wurden, fuhr der museumsfuehrer fort, in den verschiedenen, von den amerikanern angefertigten uebersetzungen seiner zeugenaussagen aus den "polnischen zivilisten", die den sender gleiwitz ueberfielen, zunaechst "polnische aufstaendische", was noch in ordnung waere, da aufstaendische unabhaengig von ihrer nationalitaet und staatsbuergerschaft zumeist zivil tragen wuerden. auch "in uniformen polnischer aufstaendischer" haette man noch durchgehen lassen koennen, da aufstaendische zumeist zivilkleidung tragen, zusaetzlich aber armbinden oder aehnliche abzeichen, die sie als aufstaendische auszeichen. dass daraus dann aber unter wegfall der aufstaendischen die "polnischen uniformen" wurden, also uniformen polnischer armeeangehoerigen, das war der entscheidende punkt und der unverzeihliche fehler. in jenen jahren endeten die sommerferien in schlesien gewoehnlich am 15. august, am 31. august 1939 gingen die kinder aber immer noch nicht zur schule, weil alle schulen in zeitweilige kasernen umgewandelt worden waren. schlesien war zum entsprechenden zeitpunkt von soldaten sozusagen voellig überlaufen, und zwar, was der zweite entscheidende punkt war, von deutschen soldaten. es waere somit voellig unmoeglich gewesen, in polnischer uniform in einer deutschen grenzstadt auch nur fuenf schritte zu tun.

auf der suche nach weiteren entscheidenden kulturwissenschaftlichen aspekten verfiel der museumfuehrer schliesslich auf die verfilmungen des ueberfalls auf den radiosender, von denen es im laufe der zeit mehrere gegeben hat. zu besonders trauriger beruehmtheit gelangte eine defa-verfilmung aus den sechziger jahren: obwohl technisch und kuenstlerisch vollkommen auf der hoehe der zeit, verstaendlicherweise mit antifaschistischen untertoenen versehen und ueberhaupt auf weltruhm ausgelegt, lief sie ausgerechnet am 12. august 1961 an. da am 13. august 1961 die berliner mauer erbaut wurde, blieben ihr weltweite aufmerksamkeit, achtung und renomee verwehrt. wohingegen die berliner mauer wahrhaftigen weltruhm erlangte.


kunstgeschichtlicher nachtrag zu den kulturwissenschaftlichen aspekten: "herr hitler" war an sich kein schlechter maler, er war lediglich traditionalist. da die wiener akademie, bei der er sich bewarb, in den zwanziger jahren sehr modern und fortschrittlich eingestellt war, wurde er eben aufgrund dieser traditionalitaet nicht angenommen. was nichts daran aendert, dass die bilder des genannten herrn waren durchaus von nicht geringzuschaetzender qualitaet waren. sagte der museumsfuehrer.

1 komentarz:

  1. prowokado albo lekcja historii powszechnej: prowokado oder eine lektion in allgemeiner geschichte.
    prowokado: titel eines buches zum ueberfall auf die radio-station in gleiwitz; moeglicherweise ein wortspiel aus "provokation" und "mikado".

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