am anfang war das wort - ein wort wie eine zweite haut, wie die eigenen vier waende, wie die ganze welt in kuerzester form, ein wort wie ein planet aus dem kleinen prinzen, auf dem jeden abend eine einzige laterne entzuendet wird zu leuchten im ganzen universum, ein biblisches wort fuer das gelobte land: vier buchstaben, drei diakryte, weiblich und eine unregelmaessige deklination. ein wort so anschmiegsam und weich auf der zunge, dass es wie von selbst ueber die lippen kommt - nur den deutschen nicht, die unveraenderlich jenes eine lied im kopf haben und ausschliesslich harte konsonanten in der kehle, die kein wodka hinunterspuelen kann und denen nur mit schweigendem stirnrunzeln und stummer abbitte zu begegnen ist.
solche gedanken gehen durch den kopf, wenn der zug den bahnhof warszawa centralna verlaesst, puenktlich und nicht einmal ueberfuellt, wenn eine beruhigend tiefe sonore lautsprecherstimme die fahrgaeste begruesst und dreifarbige leuchtschrift auskunft erteilt ueber datum, uhrzeit, zielbahnhof und namenstage, an einem fruehsommertag, an dem das gruen der baeume so unglaublich hell und blendend in die augen sticht und keine einzige wolke das blau des himmels truebt, so dass vor staunen doch der atem stockt ob dieses alljaehrlichen alltaeglichen wunders. und wenn das auge sich langsam der ewig gleichen, sattsam bekannten hauptstaedtischen haeuserzeilen entwoehnt hat und wieder einen horizont zu sehen lernt aus baeumen, huegeln, strommasten, sinkt der kopf an die auf 19.4 grad gekuehlte fensterscheibe und waechst im herzen die ueberzeugung, es gaebe tatsaechlich nur eine einzige wahre liebe, die aufgrunde ihres wesens ewigwaehrend sein muesse, die liebe auf den ersten blick, die unversehens wieder nach haut und haaren greift, wenn die fuesse am bahnhof łódź fabryczna auf dem bahnsteig stehen, unglaeubig noch und doch schon heimatliche erde ahnend, und wie von selbst laufen die gedanken zu jenem unbeschwerten leben in einem land, in dem milch und honig fliessen, in jener ewigen stadt, um es mit einem beruehmten polnischen dichter zu sagen: die engel und die teufel kommen und gehen, ale łódź, łódź zawsze zostaje. darauf richtet sich das gebet in der heilig-geist-kirche, der sich seinen platz im herzen dieser stadt naturgegebenermassen verdient hat, und moegen auch zumeist, mit den worten eines anderen und diesmal deutschen dichters, die teufel immer noch munter sein, wenn die engel schon muede sind, so tragen in dieser stadt auch die teufel heiligenscheine und koennen die engel reinen gewissens schlafen, ohne dass ihnen eine vertreibung aus dem himmlischen oder irdischen paradies drohte. und haette eva auf geheiss der schlange apfel, paradies und weisheit gegen diese stadt getauscht, keine suche nach dem jenseitigen koenigreich hier auf erden waere mehr vonnoeten und keine wie auch immer geartete erbsuende waere ihr anzulasten, im gegenteil.
das gelobte land also, eine ewige stadt - freilich keine, in der die zeit stehen geblieben ist, vielmehr nur langsamer vergeht, oder einfach mehr davon vorhanden ist, in der die zeit buchstaeblich auf den buergersteigen liegt und auf den nicht mehr allerneuesten parkbaenken entlang der ulica piotrkowska, unter den jahr fuer jahr beharrlich erneuerten duerren ahornbaeumen, so dass man sie mit vollen haenden greifen und damit um sich werfen kann, und noch immer waere mehr als genug vorhanden auf baenken und buergersteigen dieser fussgaengerzone mit dem ruehrend russischen namen, auf die verlaesslich ungetruebt die sonne scheint, so dass sich erst die lunge weitet und dann auch das herz, so dass die fuesse kribbeln und tanzen wollen ueber den so unauffaelligen, aber doch ganz und gar den eigenen bewohnern gewidmeten staedtischen walk of fame und ueber die von ampeln geschmueckten bordsteinkanten der querstrassen, in denen autos und strassenbahnen eintraechtig einspurig im stau stehen, unbesorgt freilich und alles andere als eilig, und in denen sich die hotels savoy und grand mit ihrem heruntergekommenen, doch unbestreitbaren charme siebengeschossig in den blauen himmel heben und dem beilaeufigen blick geweisste brandmauern und nachtraeglich eingebaute fenster darbieten, als hielten sie sich im vorteilhaften nachmittagslicht fuer etwas besseres als ihre um einige etagen niedrigeren brueder und schwestern rechts und links, was sie freilich nicht sind, denn auch dem beilaeufigsten blick wird nicht erkennbar, was dies alles hier zu suchen hat, bahnhof łódź fabryczna, lódzki dom kultury, ulica piotrkowska, plac wolności und hotel savoy, als waere die ganze stadt einer wunderlichen anwandlung gottes entsprungen an einem gutgelaunten achten tag der schoepfung, als die notwendigkeiten erfuellt waren zur genuege und der zufall zu seinem recht kommen konnte und zu seinen ehren eine stadt, an der alles so unvergleichlich zufaellig wirkt, so bar jeder notwendigkeit und zweckmaessigkeit, als haette es nur einer unbemerkten kleinen spielerei eines hintersinnig wohlmeinenden anioł stróż bedurft, eine stadt fuer alle jene einsam schicksalsunglaeubigen, seelisch heimatlosen zu schaffen, eine stadt, die dreistoeckig dem betrachter zu fuessen liegt, den blick auf das entgegenkommendste rahmend, ohne ihn zu verstellen, ohne auch den mueden suchenden fuessen jener ewig wandernden noch zusaetzliche steine in den weg zu legen. stattdessen fuehrt einem handgeknuepften und nur schon etwas abgetretenen roten persischen teppich gleich die ulica piotrkowska das verlorene kind in die stadt, bis der plac wolności seine so regelmaessig renaissancehaften arme ausbreitet wie ein vor jahren und jahrzehnten verlassener und stets treu ergeben wartender geliebter, dem man sich sofort mit herz und seele und allen innereien ergeben moechte auf immer und ewig, ein platz wie ein hafen fuer rastlose segelschiffe, die anker und leine werfen koennen am denkmal fuer kościuszko und sich wiegen in den leichten winden, die die duenengleich geschwungene ulica piotrkowska durchwehen, als waere dies eine promenade am weiss-blau schimmernden mittelmeer der roemer und griechen mit ihrer weisheit und ihrem hoffenswerterweise sonnigen gemuet. wo das cafe wolność jeden tag freiheit anbietet ab elf uhr vormittags und den gleichnamigen cocktail und auf der terrasse noch einen hauch siebziger jahre, und gegenueber die heilig-geist-kirche den ganzen tag ueber offen steht fuer zufaellige besucher, wo die kuehle nur unterbrochen wird von verlaesslich summenden energiesparlampen und dem murmelnden schlurfen einer alten frau auf ihrer wanderung von opferdose zu opferdose, wo sich ein feuerzeug eignet, die verloschenen fuerbittkerzen aufs neue zu entzuenden, und wo durch die tueren das quietschen der strassenbahnen ebenso hereindringt wie der geruch nach gebratenen haehnchen vom imbiss an der ecke, die offen ist fuer alltaegliches und keinen besucher abweist an glas und gitter zwischen den messen, als wollte sie sagen: kommt zu mir, ihr verlorenen und beduerftigen, ihr verzweifelten und verfluchten, auf der suche nach ein wenig frieden und erloesung, kommt in diese stadt, in der sogar die einkaufscenter einen hauch von paradies tragen und namen wie tulipan, in der auch die strassenbahnen gnadenreiche fluegel haben, wenn sie, engeln gleich, ihre ehrenrunde um den plac wolności drehen auf ausgefahrenen gleisen und handverstellten weichen, strassenbahnen, mit denen man ebenso lange fahren kann wie in der ploetzlich so fernen hauptstadt, nur kommt man nicht ganz genau so weit, doch eben darin liegt auf einmal die ganze ueberirdisch-irdische weisheit dieser stadt verborgen. und selbst noch der bahnhof hat zwischen den seltenen abfahrtszeiten der zuege auf den gelben aushaengen jenes uebermass an zeit versteckt, so dass man beruhigt und gluecklich eine stunde auf den treppen in der sonne sitzen kann mit blick auf den nur hier so grundlos unvergleichlich blauen himmel und die so undurchschaubar zufaellig angeordneten haeuser, strassen, baeume im abendlicht, als haette man das letzte geheimnis endlich endlich verstanden, das wesen des seins und damit auch der relativen theorie eines herausragenden physikers, waere dieser gedanke nicht zu vermessen selbst an einem ort wie diesem, wo die fuesse wie von selbst ein paar zentimeter ueber dem boden schweben - aber: in eile trifft man keine engel, selbst nicht in diesem himmel auf erden, in dieser gelobten und gar nicht goldenen stadt ohne tore, nur mit einem heruntergekommenen bahnhof und zuvielen schoenen kirchen und einem leeren platz im zentrum, der jeden unterschiedslos willkommen heisst, in der stadt fuer engel also. aniołódź.
piątek, 30 kwietnia 2010
czwartek, 29 kwietnia 2010
we własnej sprawie
czego napisać na sztandary, gdyby nie pisarzy?
la fin est inouïe. (samuel beckett)
moi, je préfère le début.
la fin est inouïe. (samuel beckett)
moi, je préfère le début.
poniedziałek, 26 kwietnia 2010
good bye euro albo stara grecka tragedia w nieco nowych ubraniach
die zeitungen schreiben endlich wieder ueber das weltgeschehen. und eine griechische tragoedie droht nun als naechstes gross-britannien, vielleicht auch spanien und portugal. alles wegen der staatsverschuldung.
niedziela, 25 kwietnia 2010
depresja pożałobna
der morgendliche weg in die stadt fuehrt durch das botschaftsviertel. zuletzt hat es hier mehr diplomaten-selbstmorde als gewoehnlich gegeben. wahrscheinlich hat sich noch niemand eine vorstellung davon gemacht, wie deprimierend der wochenlange anblick von flaggen auf halbmast ist. vor allem bei regen.
sobota, 24 kwietnia 2010
[*] e-znicze
piątek, 23 kwietnia 2010
tacy byli
(titel einer sonderbeilage von newsweek ueber die opfer der flugzeug-katastrophe von smoleńsk, in den entsprechenden trauerfarben).
więc tacy byli.
tacy czarno-bieli.
więc tacy byli.
tacy czarno-bieli.
czwartek, 22 kwietnia 2010
śp. albo słowo o nowejmowie
haeufige gross geschriebene worte sind eine ausnahme des deutschen, wobei diese ausnahme freilich auch im deutschen im allgemeinen nicht fuer pronomen gilt. die regel, in bestimmten ausnahmefaellen auch pronomen gross zu schreiben, gilt wiederum auch in anderen sprachen. hier wie dort vorrangig in der bibel oder anderen religioesen texten und mit bezug auf gott. im polnischen wiederum wird diese ausnahme im regelfall auch auf verstorbene uebertragen, mehr noch vielleicht auf hochrangige verstorbene wie tote praesidenten, was zumindest beim deutschen leser ungewohnte assoziationen an religioese zusammenhaenge weckt. all diese "seine taten", "seine verdienste", "seine worte", "seine freunde" und "seine gegner" und zuweilen auch - seltener - "seine ehefrau", alle diese "er" und "ihn" und "ihm" in grossen buchstaben lassen zwangslaeufig zuallererst an den pan bóg denken und nicht an den pan prezydent. der gesprochenen sprache sind diese feinen unterschiede natuerlich nicht anzusehen, der geschriebenen dafuer umso mehr. je laenger der zeitungsartikel ist und je ausfuehrlicher er sich mit den errungenschaften des verstorbenen staatsoberhauptes befasst, desto staerker wird das unbehagen angesichts dieser so offensichtlich religioes konnotierten glorifizierung. bis ganz am schluss der seite ein simpler druckfehler erleichterung bringt und den grossen, auf einmal fast gottgleichen staatsherrn in seine allzu menschlichen verhaeltnisse zurueckkehren laesst.
środa, 21 kwietnia 2010
miejscie przeklęte
dla mnie to jest sprawa śmierdząca. gdyby to się stało w francji albo w ameryce, wtedy było to na sto procent wypadek. ale jak to się stało w rosji, to zawsze będą jakieś wątpliwości.
(der freund der mitbewohnerin bei einer zigarette auf dem balkon)
i tak, proszę państwa, rodzą się teorie spiskowe.
(der freund der mitbewohnerin bei einer zigarette auf dem balkon)
i tak, proszę państwa, rodzą się teorie spiskowe.
wtorek, 20 kwietnia 2010
polska po żałobie
am montag abend im berufsverkehr hatte der bus verspaetung, so war gelegenheit, den plakatfirmen bei der arbeit zuzusehen. puenktlich zum ende der offiziellen staatstrauer wurde mit geuebten handgriffen das schwarz-weisse totengedenken-fahndungsplakat abgenommen und zusammengerollt. nach dem zwischenspiel des unbestreitbaren polnischen patriotismus schlug nun wieder die stunde des kapitalismus. era warb fuer neueste mobiltelephone fuer 1 złoty.
am naechsten morgen auf dem weg in die stadt fiel der blick auf die plakatwand an der ecke ein neues plakat: vor stilisierten baumstaemmen in schwarz-weiss prangte in roten buchstaben die aufschrift: katyń 1940-2010. manchmal gingen patriotismus und kapitalismus offenbar hand in hand.
am naechsten morgen auf dem weg in die stadt fiel der blick auf die plakatwand an der ecke ein neues plakat: vor stilisierten baumstaemmen in schwarz-weiss prangte in roten buchstaben die aufschrift: katyń 1940-2010. manchmal gingen patriotismus und kapitalismus offenbar hand in hand.
poniedziałek, 19 kwietnia 2010
mówi kassandra
morgen endet die staatstrauer. morgen werden die boersenpreise fuer grablichter und nationalflaggen ins bodenlose fallen.
następna tragedia narodowa
im grunde haette es umgekehrt sein muessen. erst der ausbruch eines bisher vollkommen unbekannten islaendischen vulkans, dessen unaussprechlicher name hoechstens den einheimischen gelaeufig ist, und dann der tragische absturz eines flugzeugs, an bord dessen sich nicht nur der polnische praesident befanden, sondern auch drei kandidaten fuer die bevorstehenden praesidentschaftswahlen, die fuehrungsspitze der polnischen streitkraefte zu wasser, zu lande und in der luft, bekannte politiker, kirchenoberhaeupter und herausragende vertreter der polnischen zivilgesellschaft. es war aber nicht umgekehrt, zuerst stuerzte jenes tragische flugzeug vom himmel, und der premier sagte in die kameras der in- und auslaendischen sender, ein solches unglueck haette die welt noch nicht gesehen. immerhin, so schien es, waren der welt nun die augen geoeffnet fuer dieses land in europa, seine geschichte voller tragoedien und niederlagen und seinen ewigen kampf fuer jenes hehre gut, das wahrheit genannt wird. und immerhin, so schien es, waren die politiker der welt und aller nahen und fernen staaten nun bereit, dem praesidenten dieses landes im tode zumindest endlich die anerkennung zu zollen, die sie ihm im leben nicht gezollt hatten, in denen er als schwierig und unzeitgemaess und ungehalten galt, weil er einer kartoffel wegen die deutsche pressefreiheit einzuschraenken forderte, fuer die quadratwurzel in den tod gehen wollte und beharrlich unterschriften unter europaeischen traktaten verweigerte. ploetzlich aber brachte der tod jenes auch im lande zuletzt eher ungeliebten praesidenten die lang ersehnte und geforderte internationale aufmerksamkeit ein, niemand sprach mehr ueber das negative elektorat, und ploetzlich vermochte eine beerdigung, was alle staatsgipfel nicht vollbracht hatten: die anreise einer fast unvorstellbaren menge an staatsoberhaeuptern und regierungsmitgliedern aus europa und uebersee, zuallererst des grossen, ewigen, imperialen erzfeindes, vor allem aber, vor allem des praesidenten aus dem land der unbegrenzten moeglichkeiten. doch dann kam der vulkanausbruch auf island, und in oder nach europa wollte kein flugzeug mehr fliegen. als waere der absturz der polnischen air force one mit allen seinen folgen nicht genug, folgte der grossen hoffnung sogleich die grosse enttaeuschung. wer kam, und wer nicht kam von der internationalen polit-prominenz, vermeldeten die zeitungen in langen listen. und es kam, wie es kommen musste, wie es immer kam in diesem land und in seiner nun schon tausendjaehrigen geschichte: am schlimmsten. der amerikanische praesident spielte golf waehrend der beerdigung seines amtskollegen im fernen krakau, und so wurde der ausbruch eines islaendischen vulkans zur zweiten polnischen nationaltragoedie innerhalb einer woche.
niedzielne widowisko albo piknik pogrzebowy
am sonntag war der plac piłsudskiego verlassen, geblieben waren nur einige absperrgitter, zwei leinwaende und eine lange reihe nun unbenutzer chemietoiletten. "dienstlich" stand in grossbuchstaben auf einer von ihnen. vor dem sofitel hingen die flaggen unveraendert auf halbmast. der grosse altar, wo am vortag die offizielle gedenkveranstaltung und die anschliessende trauermesse stattgefunden hatten, lag nun verlassen in der sonne, geblieben waren das weisse, schimmernde kreuz und unmassen von blumenschmuck. es war der erste wirklich warme furehlingstag. was haette man sagen sollen auf die frage, warst du denn nicht da? was sollte man tun, wenn man zum ersten mal seit jahren bedauerte, keinen fernseher zu besitzen? und wann sonst hatte man schon die gelegenheit, unter den augen der soldaten, die in galauniform das grab des unbekannten soldaten bewachten, auf dem gepflegten rasen des plac piłsudskiego in der sonne zu liegen? es war ein sonntagsspaziergang, es war ein picknickausflug, es war die letzte pflicht in dieser woche. es war wie immer ein etwas makabres unterfangen, besonders die eigene teilnahme daran, fuer die man gute ausreden suchte und fand, und penetrant blieb der unangenehme nachgeschmack, so penetrant wie die unzaehligen fotoapparate, die scheinbar auch des allerletzten restes von anstand verlustig gegangene reporter durch die gegend trugen mit indiskreten objektiven, dem eigentlichen geschehen auf der leinwand den ruecken zudrehend auf der suche nach dem unuebertrefflichen motiv, dass erst die titelseiten der tageszeitungen schmuecken wuerde und dann die trauerchroniken und praesidenten-gedenk-editionen, die schon fieberhaft vorbereitet wurden in den redaktionen und druckereien. wiederholt ging mir die frage durch den kopf, ob es wohl eine gelaeufige abwandlung gab jenes vierzeiligen sinnspruchs, den ich mehr als einmal in meinem poesie-album stehen hatte, unterzeichnet von grundschullehrern und entfernten tanten: ehre die toten, denn...? vor leinwand auf der wiese sassen paerchen, junge familien, ein paar anzugtraeger, ein paar aeltere frauen mit klappstuhl und gehstock, kinderwagen und fahrraeder standen herum. ein staatsmann musste zu grabe getragen werden, ein verdienter um das vaterland, ein bester freund, liebevoller ehegatte, unersetzlicher vater, ein leuchtendes beispiel, und alle diese phrasen, die sich in ewiger wiederholung fast schon unterschiedslos aneinanderreihten. die entstehung eines helden, zum zuschauen, fast schon zum anfassen. da fand ich mich nun auf der trauerfeier eines menschen, der mir zum ersten mal tatsaechlich begegnete in den worten eines dozenten an der universitaet breslau nach der praesidentenwahl 2005: they are crazy, these guys! der mir wiederbegegnete in den zeitungsartikeln vor allem der taz, die mir ein freund fuersorglich ueber wochen nach polen schickte und in denen vor allem von kartoffeln die rede war, der spaeter mit dem unvergesslichen ausspruch "quadratwurzel oder tod" auch mir im gedaechtnis blieb, und den ich ein einziges mal tatsaechlich in persona gesehen hatte, an einem weiteren jahrestag einer weiteren tragischen niederlage dieses landes, als er in einer oeffentlichen rede das wort "ludobójstwo" sogar fuer auslaender verstaendlich und erkennbar in einem ueber alle massen fragwuerdigen zusammenhang verwendete. keine voraussetzungen, um sich persoenlich betroffen zu fuehlen. und nun sass ich auf einer wiese in der sonne und betrachtete auf einer leinwand den sarg dieses menschen von allen seiten, waehrend ein reporter in salbungsvollem ton aufzaehlte, welche internationalen staatschef anwesend waren und welche nicht. es war wieder so viel von tragik, unglueck, katastrophen, trauer, schmerz und unersetzlichem verlust die rede, dass alle diese worte sich zusammenfuegten in ein einziges ununterscheidbares einerlei, das klebrig die ohren verstopfte. und befremdlich war nun, die versammelten zu beobachten, die getreulich der liturgie folgten auf der leinwand, sassen, aufstanden, niederknieten, die haende falteten und den kopf senkten, dass unvermeidbar in meinem kopf die frage auftauchte, ob auch die zuhause gebliebenen in den bloecken am stadtrand vor dem schon etwas veralteten grundig-fernseher, zwischen sofa und couchtisch mit glasplatte jenem zeremoniellen reglement folgten, oder ob sie unbeteiligt und unbeobachtet nach zigarette, coladose und chipstuete griffen, als bestuende in der oeffentlichkeit die notwendigkeit, sich als guter christ zu zeigen und glaeubiger katholik, und ob nicht gerade dies einer profanisierung jener heiligen waende gleichkam, in denen sich normalerweise eine messe vollzog, und damit einem sieg des als so unheilig verschrienen mediums. so blieb ich beharrlich sitzen, und schliesslich war es zu spaet, sich doch noch zu erheben, als ich begriff, dass es zwei arten von liturgie gab, eine offensichtliche und eine eigentliche, geheime, die selbst die wenigen noch befolgten, die vordergruendig erhaben schienen ueber gewohnheit, tradition und guten ton, doch war mir, selbst wenn ich es gewollt haette, kein glaubensbekenntnis gelaeufig, und auch dieser moment ging vorueber. auf dem hoehepunkt der zeremonie brach die uebertragung ab, nach einigen sekunden kehrten das bild, nicht aber der ton zurueck, und nur das rascheln von taschentuecher war zu hoeren und das schluchzen der grauhaarigen frau neben mir, dessen gruende mir gerne bekannt gewesen waeren, waehrend die saerge schweigend aus der kirche getragen wurden und die beiderseits des kirchenportals stehenden soldaten salut schossen. sicherlich wuerden die zeitungen morgen schreiben, dass dies bewegende momente gewesen seien. schliesslich kehrte auch der ton zurueck, und die stimme des reporters begleitete den zug der saerge zur letzten ruhestaette mit zitaten aus der letzten rede des praesidenten, die zu halten er aber nicht mehr in der lage gewesen war. jenes selbstredende wort "ludobójstwo" wiederholte sich, und die rhetorische frage nahm ihm nichts von seiner fragwuerdigkeit, und da gab ich meinen strategisch guenstigen sitzplatz auf der gruenen wiese auf, mischte mich unter die spaziergaenger rechts und links der absperrungen, machte verstohlen die notwendigen bilder von altar, blumengestecken und leerer tribuene. dabeisein war alles. seine gedanken durfte man fuer sich behalten. in den zeitungen wurden schon die letzten und allerletzten begraebnisse angepriesen, auf denen man seine vaterlandsliebe noch ausleben und unter beweis stellen konnte, und laenger als vor dem praesidentenpalast waren die schlangen nun wieder vor den eislaeden am krakowskie przedmieście . am montag wuerden fuehrende soziologen gewisse ermuedungserscheinungen angesicht der schon einwoechigen staatstrauer feststellen. auch dazu brauchte es also experten.
niedziela, 18 kwietnia 2010
pogrzeb. po.
spaeter schien wieder die sonne. auf den betonbefestigten ufern der wisła waren fahrradfahrer und spaziergaenger mit hunden unterwegs, vor dem denkmal der syrena wurden fotos gemacht. es schien ein fast gewoehnlicher, ruhiger samstagnachmittag zu sein, und offenbar hatten sich alle eltern der stadt verabredet, an diesem nachmittag ihren kindern das radfahren beizubringen. vor einer unscheinbaren kirche in einer versteckten seitenstrasse sogar ein brautpaar zu sehen und posierte fuer das familienalbum. ein wenig mitgefuehl war man ihnen schuldig, man musste nicht an hochzeit und ehe glauben, um ihnen einen besseren trauungstermin und andere begleitumstaende zu wuenschen. nur wenige autos rollten ueber die wisłostrada, "centrum zamknięte" stand als einzige information auf dem grossem elektronischen verkehrsleitsystem. gesperrt war auch die trasa w-z, verlassen lag die bruecke im sonnenschein. gegen fuenf erschienen die ersten fussgaenger, kleinere und groessere gruppen, die meisten in dunklen maenteln, manche mit fahnen, allmaehlich wurde der strom dichter und nahm schliesslich die ganze fahrbahn und beide gehwege in beschlag: die voelkerwanderung nach dem ende der trauerfeierlichkeiten hatte begonnen, die bewohner des rechten weichselufers kehrten, so war anzunehmen, in ihre wohnungen, zu fernseher und kaffee und kuchen zurueck, und nutzten auf dem weg das schoene wetter. polizeiautos standen an den haltestellen unter dem schloss, blauschillernd drehten sich die leuchten auf dem dach, die polizisten lehnten locker in den offenen tueren und blickten den vorbeiziehenden spaziergaengern nach. schliesslich wuerden lautsprecherdurchsagen die letzten nachzuegler wieder auf die gehwege treiben, wuerden strassenbahnen, autobusse und schliesslich der gewohnte verkehr wieder fliessen, und nur vereinzelt noch wuerde eine rotweisse fahne ueber dem brueckengelaender wehen. auf den betonstufen am ufer malten die fahrraeder wunderschoene schattenspiele. hier hielt sich niemand an die prohibition. das leben vom ufer der weichsel aus schien ungewohnt alltaeglich und normal.
pogrzeb. przed.
dies hatte es noch nicht gegeben. eine solche katastrophe. aber auch diese massen in der innenstadt vor dem praesidentenpalast, diese horrend langen schlangen vor den saergen, diese menschenmassen entlang der trasse der trauerkonvois. dies hatte es noch nicht gegeben. unangemessen waere es, angesichts der getragenen feierlichkeit einer staatstraueratmosphaere von hysterie zu sprechen. freilich lag das wort auf der zunge und wollte nicht wieder verschwinden. was trieb die menschen immer und immer wieder vor den weissen klassizistischen bau, vor dem zwei granitene loewen wachten ueber die hoechste macht des staates, auf die ueberlaufenen gehwege und fahrbahnen der strassen im abgesperrten zentrum, was brachte sie dazu, tag fuer tag aufs neue fahnen, blumen, kerzen zu erwerben, die verbluehten und herunterbrannten, ohne das jemand davon notiz nahm, weil es viel zu viele von ihnen auf einmal gab? unangemessen waere es, bestuerzung, trauer und mitgefuehl in zweifel zu ziehen, doch liess sich ein letzter verdacht nie vollstaendig ausraeumen, ob nicht doch ein weiteres motiv unter vielen war, beizutragen zu eben jenem "dies hatte es noch nicht gegeben", zum ereignis des in trauer vereinten polnischen volkes fuer ein paar tage auf den titelseiten der internationalen zeitungen, zum phaenomen eines maertyrologischen patriotismus, das die soziologen diskutieren wuerden noch fuer einige zeit, als waere es zu schoen, um wahr zu sein, diese treue eines landes zu seinem einst so ungeliebten praesidenten, den menschliches versagen und unglueckliche, wenn auch an sich alltaegliche umstaende zu tode gebracht hatten. die anwesenheit an jenem ort, die verewigung des ereignisses auf hunderten fotoapparaten und kameras, das ausharren an kreuzungen und bruecken schien angesichts der katastrophe zur ersten buergerpflicht geworden zu sein, und sie wurde vorbildlich erfuellt.
nun schien der hoehepunkt bevorzustehen. waehrend die eine haelfte der polnischen bevoelkerung sich auf dem weg nach warschau befand, machte sich die andere haelfte auf den weg nach krakau. in endlosen schlangen standen die menschen auf den behnhoefen und kauften fahrkarten. vor den schaltern mussten sich zuweilen dramatische szenen abspielen, die zeitungen berichteten am rande davon. die pkp versprach den einsatz zusaetzlicher zuege auf den wichtigsten strecken. an litfasssaeulen und baeumen erschienen erste aushaenge, auf denen ausfluege zum praesidentenbegraebnis angeboten wurden, busfahrt, verpflegung und stadtfuehrer vor ort inbegriffen. beerdigungstourismus traf es also doch. natuerlich wurden die feierlichkeiten am sonnabend und am sonntag live uebertragen ins ganze land, aber konnte ein fernseher tatsaechlich das gefuehl ersetzen, dabeigewesen zu sein, es mit eigenen augen gesehen zu haben, berichten zu koennen aus allererster hand? es mochte sich um ein niederes motiv handeln, seine wirkung freilich schien ueberwaeltigend.
es war eine der seltenen gelegenheiten, in denen der plac piłsudskiego einen sinn erfuellte, der sonst nur eine grosse leere flaeche mitten im zentrum der stadt war. der sich einen halben kilometer gepflasterten granits zwischen sofitel, zeitgenoessischer zachęta und norman fosters metropolitana erstreckte und an dessen raendern das grab des unbekannten soldaten, marszałek piłsudski auf seinem sockel und auch das unter buergermeister kaczyński errichtete denkmal fuer die pilgerreise von johannes paul II. im jahre 1978 so laecherlich klein wirkten, waehrend all die mit schoener regelmaessigkeit aufkommenden plaene zum wiederaufbau des palac saski sich mit ebenso schoener regelmaessigkeit wieder von der tagesordnung verschwanden - heute zeigte sich, warum und wozu sich diese spielwiese fuer regenschauer und kalte winde mitten in der stadt befand. wo sonst haette man massenveranstaltungen ausrichten koennen, bei denen sich viele tausende schaulustige, die niemand so nannte, so medienwirksam versammeln konnten, was niemand so nannte?
der aufbau von altar, leinwand, bestuhlung, lautsprecheranlagen und entsprechenden sicherheitsvorkehrungen begannen schon am vortag. es gab oeffentliche und nicht oeffentliche sektoren, gepolsterte stuehle fuer die ehrengaeste, schutzgitter fuer die statuen und den springbrunnnen. es wurden bis zu einer million teilnehmer erwartet. die zeitungen druckten hinweise fuer die teilnahme an der veranstaltung: warme kleidung und regencape, proviant und thermoskanne, klapphocker, keine wertsachen, keine schusswaffen, kein alkohol. befuerchtet wurde das einsickern von diebesbanden in die hauptstadt, dagegen galt es sich zu schuetzen, handtaschen sollten tatsaechlich unter den haenden getragen werden in sichtweite an der vorderseite des koerpers und portemonnaies nur in sicheren innentaschen. flaggen und kerzen mitzufuehren war natuerlich unmoeglich zu verbieten, doch sollten grablichter erst nach den ende der trauerveranstaltung angezuendet werden, um niemanden zu verletzen. fuer auswaertige gaeste beschrieben die zeitungen getreulich die anfahrt vom bahnhof zum veranstaltungsort, gaben hinweise zu zimmersuche und verpflegung: die allermeisten geschaefte wuerden geschlossen bleiben, billig essen koenne man aber in den kebabs an der świętokrzyska, im mac donald's gegenueber vom pkin und in den zahlreichen bars in den unterfuehrungen des hauptbahnhofs. fuer die zeit der trauermesse war der verkauf und verzehr von alkohol untersagt. prohibition in einem slawischen lande - waeren die situation und die stimmung im lande nicht so ausgesprochen tragisch gewesen, man haette dahinter nur einen schlechten scherz vermuten koennen. es war tatsaechlich ein sonniger tag. ein wenig windig, zugegeben, nicht so warm wie manchmal sonst um diese jahreszeit, spaeter wuerden einige wolken verdaechtig dunkel nach gewitter aussehen, aber es blieb trocken. und trotz allem gaben flaggen und sonnenschein anlass, an ein volksfest zu denken. sonnenbrillen wurden ausgefuehrt, im kleiderschrank hatte sich eine rotweissgestreifte bluse gefunden, die sich mit einem schwarzen schal wie von selbst zu den derzeitigen nationalfarben ergaenzte, ein blickfang fuer jeden reporter. niemand machte ein foto.
die polizei vertraute auf den guten willen der bevoelkerung und fuehrte keine kontrollen durch. ueberhaupt wuerden die ordnungsorgane sich wie schon von anfang an zurueckhalten. praesent waren dafuer ueberall pfadfinderabordnungen. sie verteilten informationsblaetter mit lageplaenen, auf denen selbst die sonst rotgelbe warschauer syrenka schwarzgraue trauer trug, geleiteten senioren und seniorinnen fuersorglich zur naechsten parkbank und verteilten wasserflaschen. wasser, wasser, fragten sie wie verdurstende in der wueste. es war nicht warm genug, um wirklich durstig zu sein, irgendwann nahm man aus mitleid eine flasche.
urspruenglich hatten auf der grossen buehne die saerge aller sechsundneunzig opfer aufgebahrt werden, doch war auch nach einer woche die identifizierung aller fluggaeste noch immer nicht abgeschlossen. so wurde dieser programmpunkt geaendert. man konnte wohl zumindest dieses eine mal den umstaenden dankbar sein, doch offenbar bemerkte niemand den unangenehmen beigeschmack dieser art von voyeurismus und den verdacht von pietaetlosigkeit - makaber erschien die vorstellung, sechsundneunzig saerge durch die halbe hauptstadt zu fahren, um sie auf einer buehne wie zu einem freiluftkonzert aufzubahren und das alles anschliessend aus naechster naehe und in voller laenge im fernsehen zu uebertragen. natuerlich gehoerte der tod zum leben dazu, wovor der moderne, auf jugendlichkeit fixierte und vergnuegungssuechtige nur zu gerne die augen verschloss, aber war ein sarg, der immerhin die sterblichen ueberreste eines menschen barg, unter dem schuetzenden dach einer kirche nicht doch besser aufgehoben als unter dem blauen himmel und den flatternden fahnen vor dem einzigen warschauer hotel, das die nato-standards erfuellte, einem braunschimmernd verglasten kasten aus den hochzeiten des sozialismus? stattdessen wehte nun ueber der buehne mit dem altar ein riesiges plakat, das auf sechsundneunzig fotos die sechsundneunzig verstorbenen zeigte, ausnahmsweise einmal in durchwegs alphabetischer reihenfolge, nur die bilder des praesidentenpaares waren durch eine schmale rotweisse umrahmung herausgehoben. puenktlich wuerde die trauerfeier beginnen, hatten die zeitungen betont, und tatsaechlich heulten puenktlich um zwoelf die sirenen, wie sie schon um 8.56 uhr geheult hatten minutenlang, zum zeitpunkt der katastrophe eine woche zuvor. die masse erhob sich schweigend, sicherlich standen nun auch die autos, die busse und strassenbahnen still auf den strassen, eine weitere schweigeminute im land, zumindest in der hauptstadt, gesenkten blicks und mit gefalteten haenden, nun war zeit darueber nachzudenken, ob wohl in deutschland noch so viele sirenen in betrieb waren, um eine solche geraeuschkulisse zu erzeugen, was zweifelhaft schien. doch wuerde wohl niemand in deutschland lageplaene entwerfen, wo helfer mit handsirenen aufzustellen seien, damit das unablaessige heulen tatsaechlich ueberall zu hoeren waere.
die sirenen verstummten, die menge ruehrte sich, wer einen stuhl hatte, nahm platz. die nationalhymne erklang, die namen aller verstorbenen wurden verlesen, nun wieder nicht alphabetisch, soldaten salutierten. die stimme aus dem lautsprecher war viel zu laut. die reden begannen, die meisten waren an den praesidenten gerichtet. er war das herausragendste opfer, alle anderen sonnten sich in seinem licht und standen zugleich in seinem schatten. wer sprach, war nicht zu erkennen, die baeume waren zu gruen und die leinwand zu weit entfernt fuer mehr als raetselraten, doch die worte und die festigkeit oder bruechigkeit der stimme gaben getreulich auskunft ueber die politischen ansichten nicht des verstorbenen, doch des redners. die heilige messe begann ebenso puenktlich wie die trauerveranstaltung zuvor. raschelnde maentel, seufzen und zuweilen ein kippender klappstuhl begleiteten die liturgie. nicht der chor, sondern die duenne stimme einer aelteren frau ganz in der naehe jagten schauer ueber den ruecken. zwischen der dritten und vierten strophe verstummte beruhigenderweise auch sie. wer von euch ohne fehl und tadel sei, der werfe den ersten stein. es wurde kalt und ungemuetlich, und die grossen emotionen waren nirgends zu sehen. beim naechsten kirchenlied verliess erhob man sich schliesslich, passierte rennende hunde und rennende kinder und die schlangen vor den toi-toi-toiletten und machte sich verstohlen in richtung altstadt davon. mit rum oder mit sirpu, fragte der kellner, bei dem man heisse schokolade bestellte. bevor man antworten konnte, schnitt einem ein schulterzucken das wort ab: bis achtzehn uhr nur sirup.
nun schien der hoehepunkt bevorzustehen. waehrend die eine haelfte der polnischen bevoelkerung sich auf dem weg nach warschau befand, machte sich die andere haelfte auf den weg nach krakau. in endlosen schlangen standen die menschen auf den behnhoefen und kauften fahrkarten. vor den schaltern mussten sich zuweilen dramatische szenen abspielen, die zeitungen berichteten am rande davon. die pkp versprach den einsatz zusaetzlicher zuege auf den wichtigsten strecken. an litfasssaeulen und baeumen erschienen erste aushaenge, auf denen ausfluege zum praesidentenbegraebnis angeboten wurden, busfahrt, verpflegung und stadtfuehrer vor ort inbegriffen. beerdigungstourismus traf es also doch. natuerlich wurden die feierlichkeiten am sonnabend und am sonntag live uebertragen ins ganze land, aber konnte ein fernseher tatsaechlich das gefuehl ersetzen, dabeigewesen zu sein, es mit eigenen augen gesehen zu haben, berichten zu koennen aus allererster hand? es mochte sich um ein niederes motiv handeln, seine wirkung freilich schien ueberwaeltigend.
es war eine der seltenen gelegenheiten, in denen der plac piłsudskiego einen sinn erfuellte, der sonst nur eine grosse leere flaeche mitten im zentrum der stadt war. der sich einen halben kilometer gepflasterten granits zwischen sofitel, zeitgenoessischer zachęta und norman fosters metropolitana erstreckte und an dessen raendern das grab des unbekannten soldaten, marszałek piłsudski auf seinem sockel und auch das unter buergermeister kaczyński errichtete denkmal fuer die pilgerreise von johannes paul II. im jahre 1978 so laecherlich klein wirkten, waehrend all die mit schoener regelmaessigkeit aufkommenden plaene zum wiederaufbau des palac saski sich mit ebenso schoener regelmaessigkeit wieder von der tagesordnung verschwanden - heute zeigte sich, warum und wozu sich diese spielwiese fuer regenschauer und kalte winde mitten in der stadt befand. wo sonst haette man massenveranstaltungen ausrichten koennen, bei denen sich viele tausende schaulustige, die niemand so nannte, so medienwirksam versammeln konnten, was niemand so nannte?
der aufbau von altar, leinwand, bestuhlung, lautsprecheranlagen und entsprechenden sicherheitsvorkehrungen begannen schon am vortag. es gab oeffentliche und nicht oeffentliche sektoren, gepolsterte stuehle fuer die ehrengaeste, schutzgitter fuer die statuen und den springbrunnnen. es wurden bis zu einer million teilnehmer erwartet. die zeitungen druckten hinweise fuer die teilnahme an der veranstaltung: warme kleidung und regencape, proviant und thermoskanne, klapphocker, keine wertsachen, keine schusswaffen, kein alkohol. befuerchtet wurde das einsickern von diebesbanden in die hauptstadt, dagegen galt es sich zu schuetzen, handtaschen sollten tatsaechlich unter den haenden getragen werden in sichtweite an der vorderseite des koerpers und portemonnaies nur in sicheren innentaschen. flaggen und kerzen mitzufuehren war natuerlich unmoeglich zu verbieten, doch sollten grablichter erst nach den ende der trauerveranstaltung angezuendet werden, um niemanden zu verletzen. fuer auswaertige gaeste beschrieben die zeitungen getreulich die anfahrt vom bahnhof zum veranstaltungsort, gaben hinweise zu zimmersuche und verpflegung: die allermeisten geschaefte wuerden geschlossen bleiben, billig essen koenne man aber in den kebabs an der świętokrzyska, im mac donald's gegenueber vom pkin und in den zahlreichen bars in den unterfuehrungen des hauptbahnhofs. fuer die zeit der trauermesse war der verkauf und verzehr von alkohol untersagt. prohibition in einem slawischen lande - waeren die situation und die stimmung im lande nicht so ausgesprochen tragisch gewesen, man haette dahinter nur einen schlechten scherz vermuten koennen. es war tatsaechlich ein sonniger tag. ein wenig windig, zugegeben, nicht so warm wie manchmal sonst um diese jahreszeit, spaeter wuerden einige wolken verdaechtig dunkel nach gewitter aussehen, aber es blieb trocken. und trotz allem gaben flaggen und sonnenschein anlass, an ein volksfest zu denken. sonnenbrillen wurden ausgefuehrt, im kleiderschrank hatte sich eine rotweissgestreifte bluse gefunden, die sich mit einem schwarzen schal wie von selbst zu den derzeitigen nationalfarben ergaenzte, ein blickfang fuer jeden reporter. niemand machte ein foto.
die polizei vertraute auf den guten willen der bevoelkerung und fuehrte keine kontrollen durch. ueberhaupt wuerden die ordnungsorgane sich wie schon von anfang an zurueckhalten. praesent waren dafuer ueberall pfadfinderabordnungen. sie verteilten informationsblaetter mit lageplaenen, auf denen selbst die sonst rotgelbe warschauer syrenka schwarzgraue trauer trug, geleiteten senioren und seniorinnen fuersorglich zur naechsten parkbank und verteilten wasserflaschen. wasser, wasser, fragten sie wie verdurstende in der wueste. es war nicht warm genug, um wirklich durstig zu sein, irgendwann nahm man aus mitleid eine flasche.
urspruenglich hatten auf der grossen buehne die saerge aller sechsundneunzig opfer aufgebahrt werden, doch war auch nach einer woche die identifizierung aller fluggaeste noch immer nicht abgeschlossen. so wurde dieser programmpunkt geaendert. man konnte wohl zumindest dieses eine mal den umstaenden dankbar sein, doch offenbar bemerkte niemand den unangenehmen beigeschmack dieser art von voyeurismus und den verdacht von pietaetlosigkeit - makaber erschien die vorstellung, sechsundneunzig saerge durch die halbe hauptstadt zu fahren, um sie auf einer buehne wie zu einem freiluftkonzert aufzubahren und das alles anschliessend aus naechster naehe und in voller laenge im fernsehen zu uebertragen. natuerlich gehoerte der tod zum leben dazu, wovor der moderne, auf jugendlichkeit fixierte und vergnuegungssuechtige nur zu gerne die augen verschloss, aber war ein sarg, der immerhin die sterblichen ueberreste eines menschen barg, unter dem schuetzenden dach einer kirche nicht doch besser aufgehoben als unter dem blauen himmel und den flatternden fahnen vor dem einzigen warschauer hotel, das die nato-standards erfuellte, einem braunschimmernd verglasten kasten aus den hochzeiten des sozialismus? stattdessen wehte nun ueber der buehne mit dem altar ein riesiges plakat, das auf sechsundneunzig fotos die sechsundneunzig verstorbenen zeigte, ausnahmsweise einmal in durchwegs alphabetischer reihenfolge, nur die bilder des praesidentenpaares waren durch eine schmale rotweisse umrahmung herausgehoben. puenktlich wuerde die trauerfeier beginnen, hatten die zeitungen betont, und tatsaechlich heulten puenktlich um zwoelf die sirenen, wie sie schon um 8.56 uhr geheult hatten minutenlang, zum zeitpunkt der katastrophe eine woche zuvor. die masse erhob sich schweigend, sicherlich standen nun auch die autos, die busse und strassenbahnen still auf den strassen, eine weitere schweigeminute im land, zumindest in der hauptstadt, gesenkten blicks und mit gefalteten haenden, nun war zeit darueber nachzudenken, ob wohl in deutschland noch so viele sirenen in betrieb waren, um eine solche geraeuschkulisse zu erzeugen, was zweifelhaft schien. doch wuerde wohl niemand in deutschland lageplaene entwerfen, wo helfer mit handsirenen aufzustellen seien, damit das unablaessige heulen tatsaechlich ueberall zu hoeren waere.
die sirenen verstummten, die menge ruehrte sich, wer einen stuhl hatte, nahm platz. die nationalhymne erklang, die namen aller verstorbenen wurden verlesen, nun wieder nicht alphabetisch, soldaten salutierten. die stimme aus dem lautsprecher war viel zu laut. die reden begannen, die meisten waren an den praesidenten gerichtet. er war das herausragendste opfer, alle anderen sonnten sich in seinem licht und standen zugleich in seinem schatten. wer sprach, war nicht zu erkennen, die baeume waren zu gruen und die leinwand zu weit entfernt fuer mehr als raetselraten, doch die worte und die festigkeit oder bruechigkeit der stimme gaben getreulich auskunft ueber die politischen ansichten nicht des verstorbenen, doch des redners. die heilige messe begann ebenso puenktlich wie die trauerveranstaltung zuvor. raschelnde maentel, seufzen und zuweilen ein kippender klappstuhl begleiteten die liturgie. nicht der chor, sondern die duenne stimme einer aelteren frau ganz in der naehe jagten schauer ueber den ruecken. zwischen der dritten und vierten strophe verstummte beruhigenderweise auch sie. wer von euch ohne fehl und tadel sei, der werfe den ersten stein. es wurde kalt und ungemuetlich, und die grossen emotionen waren nirgends zu sehen. beim naechsten kirchenlied verliess erhob man sich schliesslich, passierte rennende hunde und rennende kinder und die schlangen vor den toi-toi-toiletten und machte sich verstohlen in richtung altstadt davon. mit rum oder mit sirpu, fragte der kellner, bei dem man heisse schokolade bestellte. bevor man antworten konnte, schnitt einem ein schulterzucken das wort ab: bis achtzehn uhr nur sirup.
sobota, 17 kwietnia 2010
poza protokołem
szkoda że ciebie nie było - tybyś mogła zrobić świetne zdjęcia w sobotę.
(begruessung der mitbewohnerin bei der ankunft in warschau).
wir fahren noch weiter nach krakau, wir machen noch ein bisschen beerdigungstourismus.
(email einer freundin aus deutschland vor der reise nach polen).
dann gibt es jetzt also die zweite polnische flugente.
(resumee der chefin )
ich habe meine frau gestern gezwungen, nach einer woche wieder das farbfernsehen anzuschalten.
(gestaendnis eines arbeitskollegen).
nawet gdybym dostał 20 złotych na godzinę, tobym tam nie czekał 10 godzin w tej kolejce.
(kommentar eines kommilitonen)
każdy mądry kraj by powiedział, by u nas tak nie było, ale jak księżniczka diana umarła, to cała wielka brytania gorę maskotek przyniosła...!
(kommentar einer polnischen freundin)
idziemy na zimnego lecha?
(neueste version der einladung zum feierabendbier)
(begruessung der mitbewohnerin bei der ankunft in warschau).
wir fahren noch weiter nach krakau, wir machen noch ein bisschen beerdigungstourismus.
(email einer freundin aus deutschland vor der reise nach polen).
dann gibt es jetzt also die zweite polnische flugente.
(resumee der chefin )
ich habe meine frau gestern gezwungen, nach einer woche wieder das farbfernsehen anzuschalten.
(gestaendnis eines arbeitskollegen).
nawet gdybym dostał 20 złotych na godzinę, tobym tam nie czekał 10 godzin w tej kolejce.
(kommentar eines kommilitonen)
każdy mądry kraj by powiedział, by u nas tak nie było, ale jak księżniczka diana umarła, to cała wielka brytania gorę maskotek przyniosła...!
(kommentar einer polnischen freundin)
idziemy na zimnego lecha?
(neueste version der einladung zum feierabendbier)
stan wyjątkowy albo reklama w czasie żałoby
waehrend der staatstrauer, so schreibt es die verfassung vor, werden alle offiziellen fahnen auf halbmast gehaengt, in der regel werden kulturelle veranstaltungen abgesagt oder verschoben - obwohl dazu keinerlei gesetzliche verpflichtung besteht, halten sich fast alle kulturellen veranstalter daran, in jedem fall die staatliche finanzierten -, die fernsehsender senden ein um reklame und allzu offensichtliche unterhaltung vermindertes programm. die welt ist gewissermassen farblos geworden: die zeitungen erscheinen schwarzweiss, die litfasssaeulen der innenstadt sind mit den immerselben zweifarbigen plakaten behaengt, internetseiten und geschaeftslogos sind mit trauerschleifen geschmueckt. auf den leuchttafeln, die die wichtigsten kreuzungen ueberstrahlen, erscheinen die ersten traueranzeigen des volkes an das volk: neuerdings weiss auf schwarz statt schwarz auf weiss, im wechselspiel mit der polnischen fahne, die im kuenstlichen wind vor einem ebenso kuenstlichen himmel weht. auch die fernsehsender kennen nur ein programm: trauerzuege, trauerfeiern, gedenkveranstaltungen. die vorbereitungen fuer die grossen begraebnisse, vor allem das des praesidenten, laufen auf hochtouren. es ist ausnahmezustand, und alles, was an den ploetzlich offenbar gar nicht mehr so grauen alltag erinnert, stoert dabei. selbstverstaendlich darf entlang der trasse, die der konvoi mit den saergen des praesidenten und seiner gattin nehmen wird, keine reklame haengen. auch die werbetafeln haben trauer zu tragen und werden grau verhaengt. der regelmaessige wechselturnus verschiedener produkte und firmen wird ausgesetzt, stattdessen erscheint nun ein gedenkplakat der izba gospodarcza reklamy zewnętrznej.
auf der internetseite findet sich dazu die erlaeuterung:
"członkowie izby gospodarczej reklamy zewnętrznej łączą się w żałobie z rodzinami tragicznie poległych w katastrofie lotniczej w smoleńsku. na co dzień informujemy o ważnych wydarzeniach, promujemy idee i produkty. jak wszyscy doświadczamy w tych dniach straty naszych bliskich i współobywateli. naszą pracą są ekspozycje plakatów na nośnikach reklamy. dzisiaj część z nich stanowi przekaz naszych uczuć i myśli, które są bliskie odczuciom całego polskiego społeczeństwa. chcemy w ten sposób nie tylko zamanifestiwać swoją bliskość z rodzinami zmarłych tragicznie rodaków, ale także zapewnić, że wszyscy będziemy pamiętać. pamiętać tych, którzy zginęli w smoleńsku, jak i tych, którzy polegli 70 lat temu."
l'oreal hat eigens fuer die zeit der polnischen staatstrauer eine entsprechend getragene plakatkampagne angekuendigt. żałoba na billboardach pięknie wygląda.
auf der internetseite findet sich dazu die erlaeuterung:
"członkowie izby gospodarczej reklamy zewnętrznej łączą się w żałobie z rodzinami tragicznie poległych w katastrofie lotniczej w smoleńsku. na co dzień informujemy o ważnych wydarzeniach, promujemy idee i produkty. jak wszyscy doświadczamy w tych dniach straty naszych bliskich i współobywateli. naszą pracą są ekspozycje plakatów na nośnikach reklamy. dzisiaj część z nich stanowi przekaz naszych uczuć i myśli, które są bliskie odczuciom całego polskiego społeczeństwa. chcemy w ten sposób nie tylko zamanifestiwać swoją bliskość z rodzinami zmarłych tragicznie rodaków, ale także zapewnić, że wszyscy będziemy pamiętać. pamiętać tych, którzy zginęli w smoleńsku, jak i tych, którzy polegli 70 lat temu."
l'oreal hat eigens fuer die zeit der polnischen staatstrauer eine entsprechend getragene plakatkampagne angekuendigt. żałoba na billboardach pięknie wygląda.
piątek, 16 kwietnia 2010
jarmark pogrzebowy albo biznes w czasie żałoby
schon am nowy świat haben die blumenhaendler auf einmal auch grabkerzen im angebot, sie stehen auf einem beistelltischchen neben den eimern voll tulpen und osterglocken. ueberhaupt verkaufen alle geschaefte im zentrum seit neuestem grablichter, die kioske und die vereinzelten lebensmittellaeden entlang des trakt królewski, handgemalte schilder im schaufenster weisen mit unfreiwilliger komik darauf hin: "tanie znicze w sprzedaży - zapraszamy". am besten - so schreiben es inzwischen schon die zeitungen - verkaufen sich die farben rot und weiss. dasselbe gilt fuer nelken und fuer tulpen. besonderer beliebtheit erfreut sich aber auch jene kremfarbene zuechtung hollaendischer gaertner, die seit 2006 den namen der praesidentengattin maria kaczyńska traegt.
der krakowskie przedmieście selbst, seit fast einer woche komplett fuer den kraftzeugverkehr gesperrt, hat gewisse zuege eines flohmarktes angenommen. fliegende haendler haben rechts und links auf den gehwegen stellung bezogen, sie bieten polnische flaggen mit und ohne adler, grablichter und blumen an, zuweilen auch kaffee oder schokoriegel - und regenschirme. es ist immerhin erst april, und das macht sich meteorologisch in gelegentlichen heftigen schauern bemerken. doch wer wuerde selbst in dieser situation den volkswirtschaftlichen zusammenhang zwischen angebot und nachfrage bestreiten wollen? nachfrage besteht ganz offensichtlich, nicht nur nach den traditionellen patriotismus- und trauerutensilien in einem katholischen land - in anderen staedten stehen die leute schon nach flaggen stundenlang an, aber zumindest in der hauptstadt scheint die versorgung gesichert. nachfrage besteht aber auch nach jenen zuweilen etwas zwielichtigen gesinnungsbekundungen fuer kragen und rucksack: trauerschleifen zum anstecken in schwarz oder rot-weiss und buttons mit der aufschrift "żałoba narodowa - smoleńsk 10.04.2010" vor dem hintergrund der polnischen flagge. unschlagbar ist freilich ein roter aufnaeher, der auf rotem grund in grauer fabre die aufschrift "katyń 2010" traegt. das t ist durch ein grosses silbernes flugzeug ersetzt worden. das design hat etwas ungewollt makabres - ob in amerika aufnaeher mit der aufschrift "wtc 2001" gestaltet, produziert, gekauft und getragen worden waeren, bestickt mit zwei tuermen und zwei silbern schimmernden fluegzeugen, oder ist im zustand der schockstarre das menschliche gehirn schlicht zu fast allem faehig? biznes rozkręca się - die polnische wirtschaft funktioniert in dieser situation in vorbildlicher art und weise.
je naeher man dem praesidenten-palast kommt, desto dichter werden die menschenmassen. schon von weitem sind die weissen oder schwarzen sonnenschirme und die satellitenschuesseln der uebertragungswagen zu sehen, die ebenso wie berge von blumen und grablichtern seit tagen nicht mehr aus dem strassenbild wegzudenken sind. auf zwei grossen leinwaenden wird live uebertragen: aus den innenraeumen des palastes, wo die saerge des praesidenten-paares aufgestellt sind, an denen unausgesetzt eine schweigende menschenmenge vorbeizieht, und vom flughafen warszawa-okęcie, wo soeben eine aus russland kommende nato-maschine mit den saergen von dreissig opfern der katastrophe gelandet ist. vor der zweiten leinwand steht eine gruppe von nonnen in schwarzen kleidern und weissen hauben, jede mit einem rosenkranz in der hand. sie sind ganz offensichtlich am richtigen platz, hier werden gebete gebraucht. auch der konvoi der dreissig saerge durch die halbe hauptstadt wird es grossformatig in die zeitungen schaffen, als unerhoertes und bisher nicht dagewesenes ereignis. mittlerweile ist der platz mehr oder weniger unuebersichtlich mit absperrgittern in verschiedene sektoren abgeteilt, policja und straż miejksa sind vor ort, aber wo die schlangen fuer kondolenzbuch und kolumnensaal beginnen und enden, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. taeglich gibt die zeitung nicht nur alle ort durch, an denen man aufgebahrten toten die ehre erweisen kann, sondern auch die aktuellen wartezeiten, die im falle des praesidenten von sechs auf acht auf zehn stunden anwachsen wird, bis es am ende keinen unterschied mehr macht, ob man am spaeten vormittag kommt oder im fruehesten morgengrauen, bis man am ende so oder so vierzehn stunden gestanden haben wird fuer einen knicks vor dem mit einer rot-weissen fahne geschmueckten sarg, an dessen seite abordnungen der streitkraefte und mitglieder des parlaments ehrenwache halten. vor dem palast nehmen pfadfinder in vielen verschiedenen uniformen und isolierenden handschuhen grablichter und blumen in empfang, um sie an einer geeigneten stelle den vorher schon abgegebenen blumen und grablichtern hinzuzufuegen. der teppich aus grablichtern vor dem sitz des staatsoberhauptes wird eines der einpraegsamsten bilder aus der zeit nach der katastrophe werden und schmueckt schon jetzt immer wieder die titelseiten von zeitungen und magazinen. in der luft liegt jener suesslich-schwere geruch nach heissem wachs, der sofort assoziationen an tod, begraebnis und leichenschmauss wachruft und zuweilen auch leichte uebelkeit. ein vor dem hotel bristol aufgestellter bauschutt-container dient als abfallbehaelter, immer wieder ist das splitternde krachen von altglas zu hoeren. spaeter wird von 500 tonnen an grablichtern und blumen die rede sein, die von der stadtreinigung allein in warschau innerhalb einer woche entsorgt wurden. niemand spricht in diesen tagen von muelltrennung und dem rohstoff altglas. freilich ist nicht ohne weiteres ersichtlich, was die menschen hierhertreibt, das beduerfnis, etwas zum ausdruck zu bringen, ein zeichen zu setzen, oder der wunsch, dabeigewesen zu sein, fuer die zukunft. manchmal hat es den anschein, als wuerde sich das land selbst beim trauern zuschauen, wer aber koennte sich herausnehmen, die trostsuchenden, verzweifelten von den schaulustigen zu unterscheiden? kameras und fotoapparate sind allgegenwaertig, kleine kinder mit fahne in der hand posieren vor dem denkmal fuers familienalbum, die nachkommen der generation jp II, die man vielleicht eines tages die generation katyń II nennen wird oder generation lech kaczyński, und wieder werden die soziologen im in- und ausland streiten, ob sie denn wirklich existiert.
der krakowskie przedmieście selbst, seit fast einer woche komplett fuer den kraftzeugverkehr gesperrt, hat gewisse zuege eines flohmarktes angenommen. fliegende haendler haben rechts und links auf den gehwegen stellung bezogen, sie bieten polnische flaggen mit und ohne adler, grablichter und blumen an, zuweilen auch kaffee oder schokoriegel - und regenschirme. es ist immerhin erst april, und das macht sich meteorologisch in gelegentlichen heftigen schauern bemerken. doch wer wuerde selbst in dieser situation den volkswirtschaftlichen zusammenhang zwischen angebot und nachfrage bestreiten wollen? nachfrage besteht ganz offensichtlich, nicht nur nach den traditionellen patriotismus- und trauerutensilien in einem katholischen land - in anderen staedten stehen die leute schon nach flaggen stundenlang an, aber zumindest in der hauptstadt scheint die versorgung gesichert. nachfrage besteht aber auch nach jenen zuweilen etwas zwielichtigen gesinnungsbekundungen fuer kragen und rucksack: trauerschleifen zum anstecken in schwarz oder rot-weiss und buttons mit der aufschrift "żałoba narodowa - smoleńsk 10.04.2010" vor dem hintergrund der polnischen flagge. unschlagbar ist freilich ein roter aufnaeher, der auf rotem grund in grauer fabre die aufschrift "katyń 2010" traegt. das t ist durch ein grosses silbernes flugzeug ersetzt worden. das design hat etwas ungewollt makabres - ob in amerika aufnaeher mit der aufschrift "wtc 2001" gestaltet, produziert, gekauft und getragen worden waeren, bestickt mit zwei tuermen und zwei silbern schimmernden fluegzeugen, oder ist im zustand der schockstarre das menschliche gehirn schlicht zu fast allem faehig? biznes rozkręca się - die polnische wirtschaft funktioniert in dieser situation in vorbildlicher art und weise.
je naeher man dem praesidenten-palast kommt, desto dichter werden die menschenmassen. schon von weitem sind die weissen oder schwarzen sonnenschirme und die satellitenschuesseln der uebertragungswagen zu sehen, die ebenso wie berge von blumen und grablichtern seit tagen nicht mehr aus dem strassenbild wegzudenken sind. auf zwei grossen leinwaenden wird live uebertragen: aus den innenraeumen des palastes, wo die saerge des praesidenten-paares aufgestellt sind, an denen unausgesetzt eine schweigende menschenmenge vorbeizieht, und vom flughafen warszawa-okęcie, wo soeben eine aus russland kommende nato-maschine mit den saergen von dreissig opfern der katastrophe gelandet ist. vor der zweiten leinwand steht eine gruppe von nonnen in schwarzen kleidern und weissen hauben, jede mit einem rosenkranz in der hand. sie sind ganz offensichtlich am richtigen platz, hier werden gebete gebraucht. auch der konvoi der dreissig saerge durch die halbe hauptstadt wird es grossformatig in die zeitungen schaffen, als unerhoertes und bisher nicht dagewesenes ereignis. mittlerweile ist der platz mehr oder weniger unuebersichtlich mit absperrgittern in verschiedene sektoren abgeteilt, policja und straż miejksa sind vor ort, aber wo die schlangen fuer kondolenzbuch und kolumnensaal beginnen und enden, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. taeglich gibt die zeitung nicht nur alle ort durch, an denen man aufgebahrten toten die ehre erweisen kann, sondern auch die aktuellen wartezeiten, die im falle des praesidenten von sechs auf acht auf zehn stunden anwachsen wird, bis es am ende keinen unterschied mehr macht, ob man am spaeten vormittag kommt oder im fruehesten morgengrauen, bis man am ende so oder so vierzehn stunden gestanden haben wird fuer einen knicks vor dem mit einer rot-weissen fahne geschmueckten sarg, an dessen seite abordnungen der streitkraefte und mitglieder des parlaments ehrenwache halten. vor dem palast nehmen pfadfinder in vielen verschiedenen uniformen und isolierenden handschuhen grablichter und blumen in empfang, um sie an einer geeigneten stelle den vorher schon abgegebenen blumen und grablichtern hinzuzufuegen. der teppich aus grablichtern vor dem sitz des staatsoberhauptes wird eines der einpraegsamsten bilder aus der zeit nach der katastrophe werden und schmueckt schon jetzt immer wieder die titelseiten von zeitungen und magazinen. in der luft liegt jener suesslich-schwere geruch nach heissem wachs, der sofort assoziationen an tod, begraebnis und leichenschmauss wachruft und zuweilen auch leichte uebelkeit. ein vor dem hotel bristol aufgestellter bauschutt-container dient als abfallbehaelter, immer wieder ist das splitternde krachen von altglas zu hoeren. spaeter wird von 500 tonnen an grablichtern und blumen die rede sein, die von der stadtreinigung allein in warschau innerhalb einer woche entsorgt wurden. niemand spricht in diesen tagen von muelltrennung und dem rohstoff altglas. freilich ist nicht ohne weiteres ersichtlich, was die menschen hierhertreibt, das beduerfnis, etwas zum ausdruck zu bringen, ein zeichen zu setzen, oder der wunsch, dabeigewesen zu sein, fuer die zukunft. manchmal hat es den anschein, als wuerde sich das land selbst beim trauern zuschauen, wer aber koennte sich herausnehmen, die trostsuchenden, verzweifelten von den schaulustigen zu unterscheiden? kameras und fotoapparate sind allgegenwaertig, kleine kinder mit fahne in der hand posieren vor dem denkmal fuers familienalbum, die nachkommen der generation jp II, die man vielleicht eines tages die generation katyń II nennen wird oder generation lech kaczyński, und wieder werden die soziologen im in- und ausland streiten, ob sie denn wirklich existiert.
czwartek, 15 kwietnia 2010
przegłąd nekrologów albo prasa w czasie żałoby
die zeitungen tragen aschermittwoch, und auch sonst erkennt man sie kaum wieder. sie kennen alle nur ein einziges thema: die opfer der katastrophe, die tragoedie von smoleńsk, der heldenhafte tod im dienste fuer das vaterland, das zweite katyń. diese schlagworte ziehen sich von vorne bis hinten durch gazeta wyborcza, rzeczpospolita, nasz dziennik - und natuerlich die trauer, die unendliche trauer, die nur in grossen spontanen menschenansammlungen annaehernd ausdruck finden kann. auf einmal steht polen wie ein mann - ueber alle politischen, weltanschaulichen und konfessionellen grenzen hinweg - in der unaufhoerlich anwachsenden schlange vor dem praesidentenpalast, um sich in den ausgelegten kondolenzbuecher einzutragen und zwei drei sekunden vor dem sarg des praesidenten niederzuknien. die trauer um die tragisch gefallenen soehne der republik eint das vaterland - es ist soviel von pojednanie die rede, dass man fast vermeinen koennte, dieses land haette eine mindestens fuenfzigjaehrige teilung durch mauer und stacheldraht hinter sich oder einen ebenso lange waehrenden blutigen buergerkrieg, nicht aber einen ueber das gewoehnliche mass kaum hinausgehend absurden und sinnlosen flugzeugabsturz - und ist denn nicht das zuweilen gewisse grenzen des anstands auch ueberschreitende gegeneinander von regierung und opposition einer der grundzuege jeder demokratie? doch politik sucht man selbst auf den hinteren seiten der zeitungen vergeblich, ebenso wie wirtschaft und sport - kaum dass afghanistan oder irak eine schlagzeile erhalten oder der euro, geschweige denn ein fussballspiel, und damit alle die themen, die sonst die gemueter zu erregen in der lage sind.
ebenso vergeblich wie die politik sucht man die werbung. stattdessen findet man nekrologe: aus den schwarz geraenderten, zentriert in kapitaelchen gesetzten trauerbotschaften bestehen rund zwei drittel einer auflage, so dass man sich ueber die aufgrund der staatstrauer mit den werbeanzeigen einer haupteinnahmequelle verlustig gegangenen bilanzen der zeitungsredaktionen keine sorgen machen muss. die nekrologe sind gefuellt mit unablaessig sich wandelnden variationen der worte żal, ból, smutek, współczucie und damit ausdruck innigster anteilnahme, den man gerne und vollkommen ohne ansicht der person zu glauben bereit sein moechte, aber zumindest im falle international agierender konzernen kommen bei der lektuere doch zweifel auf, ob entsprechend formulierte anzeige im entsprechend auffaelligen format nicht einfach nur zum guten ton gehoert und die ausgaben von einer entsprechend befugten pr-abteilung abgerechnet werden. wie als wegweiser preist die gazeta wyborcza tagelang ihre "księga umarłych" in pdf-version zum herunterladen an, und gegen wochenende erscheinen gehaeuft sondereditionen und erinnerungsausgaben, hochglanzheftchen in edlem schwarz und gold, in denen der praesident und seine frau von allen ihren besten seiten abgebildet sind. ueber die toten nur gutes, und nur als die nachricht von der entscheidung das land erreicht, den tragisch verstorbenen praesidenten auf dem wawel in kraków beizusetzen und damit im nationalen heiligtum, dem panteon verdienter polen, eine nachricht also, die geeignet ist, alle erfolge der unverhofften pojednanie sofort wieder zunichte zu machen und das land womoeglich noch tiefer zu spalten als zuvor, eine entscheidung, die die ersten nicht nur staatstreuen handlungen bei staatsbuergen hervorruft in form von versammlungen mit zwei-dreihundert teilnehmern vor dem krakauer episkopat und transparenten, auf denen "gruba przesada" steht, da ist ein hauch von politik zu spueren, einen tag lang erlaubt sich die presse, gegensaetzliche und widerstreitende meinungen abzudrucken, dann wird die diskussion auf die zeit nach dem ende der staatstrauer verschoben. stattdessen wird nun schon den vierten tag in folge berichtet ueber die ehrenhaften ansichten und hehren ziele der tragisch verstorbenen, ueber die symbolische bedeutung von katyń und die entwicklung der polnisch-russischen beziehungen, ueber die moeglichen ursachen des flugzeugabsturzes und den verlauf der identifizierung der sechsundneunzig opfer, und weil diese themen schon reichlich ausgereizt sind und neue erkenntnisse zum hergang der katastrophe auf sich warten lassen, werden also akribisch die unterschiede zwischen einer ausgerufenen und einer verlaengerten staatstrauer eroertert. freilich gibt keine solchen unterschiede, und auch die situationen, in denen die eine oder andere form anwendung finden sollte, sind rechtlich nicht geregelt. auf den hauptstadtseiten kommen die verwaisten haustiere des staatsoberhauptes zu ihrem leitartikel, wobei jedoch die frage unbeantwortet bleibt, warum ein polnischer praesident einen aus dem tierheim geretteten schwarzen kater nach einem oesterreichischen k.u.k.-thronfolger benennen sollte, der erwiesenermassen seine frau betrog, sich mit leichten maedchen vergnuegte und am ende seines kaum dreissigjaehrigen lebens in geistiger verwirrung selbstmord beging, waehrend seine blaubluetige tochter sich erst scheiden liess und dann einen sozialisten heiratete?
ebenso vergeblich wie die politik sucht man die werbung. stattdessen findet man nekrologe: aus den schwarz geraenderten, zentriert in kapitaelchen gesetzten trauerbotschaften bestehen rund zwei drittel einer auflage, so dass man sich ueber die aufgrund der staatstrauer mit den werbeanzeigen einer haupteinnahmequelle verlustig gegangenen bilanzen der zeitungsredaktionen keine sorgen machen muss. die nekrologe sind gefuellt mit unablaessig sich wandelnden variationen der worte żal, ból, smutek, współczucie und damit ausdruck innigster anteilnahme, den man gerne und vollkommen ohne ansicht der person zu glauben bereit sein moechte, aber zumindest im falle international agierender konzernen kommen bei der lektuere doch zweifel auf, ob entsprechend formulierte anzeige im entsprechend auffaelligen format nicht einfach nur zum guten ton gehoert und die ausgaben von einer entsprechend befugten pr-abteilung abgerechnet werden. wie als wegweiser preist die gazeta wyborcza tagelang ihre "księga umarłych" in pdf-version zum herunterladen an, und gegen wochenende erscheinen gehaeuft sondereditionen und erinnerungsausgaben, hochglanzheftchen in edlem schwarz und gold, in denen der praesident und seine frau von allen ihren besten seiten abgebildet sind. ueber die toten nur gutes, und nur als die nachricht von der entscheidung das land erreicht, den tragisch verstorbenen praesidenten auf dem wawel in kraków beizusetzen und damit im nationalen heiligtum, dem panteon verdienter polen, eine nachricht also, die geeignet ist, alle erfolge der unverhofften pojednanie sofort wieder zunichte zu machen und das land womoeglich noch tiefer zu spalten als zuvor, eine entscheidung, die die ersten nicht nur staatstreuen handlungen bei staatsbuergen hervorruft in form von versammlungen mit zwei-dreihundert teilnehmern vor dem krakauer episkopat und transparenten, auf denen "gruba przesada" steht, da ist ein hauch von politik zu spueren, einen tag lang erlaubt sich die presse, gegensaetzliche und widerstreitende meinungen abzudrucken, dann wird die diskussion auf die zeit nach dem ende der staatstrauer verschoben. stattdessen wird nun schon den vierten tag in folge berichtet ueber die ehrenhaften ansichten und hehren ziele der tragisch verstorbenen, ueber die symbolische bedeutung von katyń und die entwicklung der polnisch-russischen beziehungen, ueber die moeglichen ursachen des flugzeugabsturzes und den verlauf der identifizierung der sechsundneunzig opfer, und weil diese themen schon reichlich ausgereizt sind und neue erkenntnisse zum hergang der katastrophe auf sich warten lassen, werden also akribisch die unterschiede zwischen einer ausgerufenen und einer verlaengerten staatstrauer eroertert. freilich gibt keine solchen unterschiede, und auch die situationen, in denen die eine oder andere form anwendung finden sollte, sind rechtlich nicht geregelt. auf den hauptstadtseiten kommen die verwaisten haustiere des staatsoberhauptes zu ihrem leitartikel, wobei jedoch die frage unbeantwortet bleibt, warum ein polnischer praesident einen aus dem tierheim geretteten schwarzen kater nach einem oesterreichischen k.u.k.-thronfolger benennen sollte, der erwiesenermassen seine frau betrog, sich mit leichten maedchen vergnuegte und am ende seines kaum dreissigjaehrigen lebens in geistiger verwirrung selbstmord beging, waehrend seine blaubluetige tochter sich erst scheiden liess und dann einen sozialisten heiratete?
środa, 14 kwietnia 2010
tacy i tacy albo cały kraj ubiera kir
das polnische kir ist, wie wohl auch das deutsche trauerflor, ein literarisches wort. "czarny materiał żałobny" erklaert das woerterbuch auf nachfrage. und das wiederum ist eine aeusserst unliterarische angelegenheit. so einheitlich die fahnen daherkommen, die ueberall an haeusern und autos, in schaufensterauslagen und fensterscheiben zu finden sind, so unterschiedlich sind die trauerflore, die gemessen und drapiert an den fahnen haengen oder lustig und verspielt im wind flattern. scheinbar wurden sie aus dem gemacht, was gerade zufaellig bei der hand war. denn sicherlich grenzt es an aberglauben und schwarze magie, immer einen vorbereiteten trauerflor im hause zu haben oder gar zwei verschiedene fahnen - mit und ohne flor - und also fuer jeden anlass eine. die frage des trauerflors wird also eine probe der findigkeit und des improvisationstalents: es gibt solche aus stoff und aus plastik, ordentlich vernaeht oder achtlos abgerissen. es gibt solche aus klebeband und aus geschenkband und aus jenen mit goldenen ornamenten verzierten plastikschaerpen, die mit denen man in blumenlaeden grabgestecke schmueckt. es gibt solche aus samt und seide und sogar einige aus schwarzer spitze, wodurch das gefuehl allumfassender trauer geradezu koerperlich greifbar wird - ich warte fast schon darauf, einen zweckentfremdeten damennetzstrumpf an einer der zahllosen fahnen zu finden. ob es denn einen zentralen anbieter fuer offizielle trauerflore gaebe, frage ich eine frau auf der strasse, die gerade eine mit schwarz glaenzendem band verzierte fahne neben der haustuer drapiert. ach, erwidert die frau, das meiste sind doch sowieso schwarze muelltueten.
noch ist niemand auf die idee gekommen, stopschilder, verbotsschilder und die rot-weiss gestreiften leitplanken am strassenrand mit einem trauerflor zu verzieren. aber es ist sicherlich nur eine frage der zeit.
noch ist niemand auf die idee gekommen, stopschilder, verbotsschilder und die rot-weiss gestreiften leitplanken am strassenrand mit einem trauerflor zu verzieren. aber es ist sicherlich nur eine frage der zeit.
wtorek, 13 kwietnia 2010
czarny wtorek
am bahnhof warszawa centralna wird man von einer ungewohnt hoeflichen informationsansage begruesst, die auf die bestehenden nahverkehrsverbindungen vom zentrum zum praesidenten-palast verweisen und sogar liniennummern und haltestellen angibt. an den haltestellen von autobussen und strassenbahnen haengen schwarze plakate mit fotos von allen sechsundneunzug opfern der katastrophe, die freilich nur auf den ersten blick an die raf-fahndungsplakate der alten bundesrepublik erinnern. es ist staatstrauer, doch ist auf den strassen nicht mehr schwarze kleidung als gewoehnlich zu sehen, und auch die sonnenbrillen koennten dem fruehlingswetter geschuldet sein. nur zur mittagszeit stroemen in die kirche am plac trzech krzyży grosse gruppen schwarzer anzugtraeger. schwarz sind auch die regale der zeitungslaeden: alle wichtigen wochenzeitschriften, von newsweek und wprost bis agora, solidarność und najwyższy czas! haben schwarze umschlaege bekommen, titel und logos sind in grautoenen gehalten und erinnern nun eher an traueranzeigen. das hat nicht einmal michael jackson geschafft. przekrój druckt die ersten zehn seiten mit weisser schrift auf schwarzem grund und auch die bilder nur in schwarz-weiss, was den tragischen eindruck erhoeht, die polityka gibt sogar eine sondernummer aus anlass der nationalen tragoedie heraus. nur forum leistet sich farbiges titelbild, auf dem vor der weiss-roten polnischen flagge ein weisser adler mit goldener krone eine dramatische bruchlandung absolviert. sicherlich wird das der zeitschrift kritische kommentare einbringen. die ausgehaengten fahnen sind mit schwarzem trauerflor versehen, geflaggt wird an allen moeglichen und unmoeglichen orten: nicht nur verwaltungsgebaeude, strassenlaternen, strassenbahnen und autobusse, sondern auch hauseingaenge, lebensmittelgeschaefte, kirchen und die zuege der szybka kolej miejska, selbst baugerueste, balkone, strassenreinigungsmaschinen, fahrzeuge von policja und straż miejska und die motorraeder vom pizzalieferdienst. ob eine trauerbeflaggte taksówka in diesen tagen mehr fahrgaeste verbuchen kann? flaggenhalter fuer autofenster erleben ein unerwartetes revival - es sind jene flaggenhalter aus weissem plastik, die in deutschland im umfeld der fussballweltmeisterschaften 2006 zum verkaufsschlager wurden. die grossartigste erfindung dieser tage ist freilich eine kleine schwarze aidsschleife, die zum zeichen der trauer an jackettkragen, rockaufschlaege und rucksaecke gesteckt werden kann. rzeczpospolita und fakt erscheinen mit einer solchen schleife am oberen rand der ersten seite, empik wird sie bald als teil des logos in die schaufensterscheiben haengen, und in ein paar tagen wird die gazeta wyborcza die wochenendausgabe mit einem abloesbaren aufkleber ausliefern, der die polnische weissrote flagge mit jener eingaengig geschwungenen trauerschleife zeigt. neu ist diese idee freilich nicht: aufkleber derselben machart, wenn auch in wesentlich schlechterer druckqualitaet, werden am krakowskie przedmieście von der tausenderrolle verkauft, in den ersten geschaeften haengen auch bereits entsprechend bedruckte schwarze t-shirts. offenbar handelt es sich um ein so ueber alle massen eingaengiges symbol, dass es nicht nur in rot fuer den kampf gegen aids, sondern auch in rosa fuer den kampf gegen brustkrebs, in weiss fuer den kampf fuer gewaltfreie beziehungen und in gelb allgemein als symbol fuer unterstuetzung und solidaritaet steht - und nun auch in schwarz fuer polen. der farbliche dreiklang weiss-rot-schwarz ist unuebersehbar in diesen tagen, auf dem cover von fakt, auf der anwachsenden zahl von erinnerungsplakaten, in denen die schwarz-weissen fotos von lech und maria kaczyński von einem schmalen roten streifen zusaetzlich umrahmt sind und in all den mit trauerflor verzierten fahnen, dass man fast meint, die polnischen nationalfarben nun erst in gehoeriger vollstaendigkeit vorzufinden.
niedziela, 11 kwietnia 2010
trudności okolicznościowe
als mir am abend des 11. september 2001 jemand von den flugzeugen und den tuermen des world trade centers erzaehlte, fragte ich nur, ob dies das szenario eines hollywood-katastrophen-films sei und wer es sich ausgedacht haette. anschliessend vergass ich die ganze angelegenheit wieder und war mehr als erstaunt, als am naechsten morgen immer noch davon geredet wurde und vor allem: ueber nichts anderes. die bilder dazu sah ich erst sehr viel spaeter, als sie schon nicht mehr jene unmittelbare wirkung zu erzeugen vermochten, die viele bis heute mit diesem ereignis verbinden.
in der folge nahm ich mir vor, weltbewegende ereignisse nicht mehr so unbemerkt und unglaeubig an mir vorbeigehen zu lassen. vorsaetzlich bemuehte ich mein gedaechtnis mit allen entscheidenden umstaenden vordergruendig wichtiger nachrichten. woran aber erkannte man diese ereignisse, denen man mit jener gebuehrenden ernsthaftigkeit zu begegnen hatte? so weiss ich noch, dass ich im auto auf der steglitzer bismarckstrasse unterwegs war, als franz muentefering - fuer den ich aufgrund seiner altmodischen brille und frisur gewisse, wenn auch nicht in erster linie politische sympathien hegte - seinen ruecktritt von allen aemtern verkuendete, in die er dann doch bald genug wieder zurueckkehrte, was aber nuetzte das?
die polnische putzfrau meiner eltern kam einmal die woche immer am samstag mittag. sie liess in der kueche einen eimer voll wasser laufen und erzaehlte, wie sie beim einkaufen von ihrer mutter die nachricht vom tod des praesidenten erhalten hatte. mir ging durch den kopf, was ich kuerzlich in einer polnischen zeitschrift gelesen hatte: dass die oeffentlichkeit immer wieder berichten glauben schenkt, die von den medien lediglich als moeglicher verlauf dargestellt werden. die liste begann mit der landung der marsianer in new york 1938 unter der aegide von george orwells, und endete mit einer sendung im georgischen fernsehen ueber die erneute invasion der russen in georgien. im verlauf der kampfhandlungen und allgemeinen panik stuerzte das flugzeug mit dem polnischen praesidenten an bord ab oder wurde abgeschossen, es gab jedenfalls keine ueberlebenden. unglaeubig schuettelte ich den kopf, es klang zu sehr nach katastrophen-film und polit-thriller, und wer haette den tv-reportern in tiflis solche kassandrischen faehigkeiten zugetraut? ich hatte wohl einfach kein glueck mit ereignissen von weltrang.
in der folge nahm ich mir vor, weltbewegende ereignisse nicht mehr so unbemerkt und unglaeubig an mir vorbeigehen zu lassen. vorsaetzlich bemuehte ich mein gedaechtnis mit allen entscheidenden umstaenden vordergruendig wichtiger nachrichten. woran aber erkannte man diese ereignisse, denen man mit jener gebuehrenden ernsthaftigkeit zu begegnen hatte? so weiss ich noch, dass ich im auto auf der steglitzer bismarckstrasse unterwegs war, als franz muentefering - fuer den ich aufgrund seiner altmodischen brille und frisur gewisse, wenn auch nicht in erster linie politische sympathien hegte - seinen ruecktritt von allen aemtern verkuendete, in die er dann doch bald genug wieder zurueckkehrte, was aber nuetzte das?
die polnische putzfrau meiner eltern kam einmal die woche immer am samstag mittag. sie liess in der kueche einen eimer voll wasser laufen und erzaehlte, wie sie beim einkaufen von ihrer mutter die nachricht vom tod des praesidenten erhalten hatte. mir ging durch den kopf, was ich kuerzlich in einer polnischen zeitschrift gelesen hatte: dass die oeffentlichkeit immer wieder berichten glauben schenkt, die von den medien lediglich als moeglicher verlauf dargestellt werden. die liste begann mit der landung der marsianer in new york 1938 unter der aegide von george orwells, und endete mit einer sendung im georgischen fernsehen ueber die erneute invasion der russen in georgien. im verlauf der kampfhandlungen und allgemeinen panik stuerzte das flugzeug mit dem polnischen praesidenten an bord ab oder wurde abgeschossen, es gab jedenfalls keine ueberlebenden. unglaeubig schuettelte ich den kopf, es klang zu sehr nach katastrophen-film und polit-thriller, und wer haette den tv-reportern in tiflis solche kassandrischen faehigkeiten zugetraut? ich hatte wohl einfach kein glueck mit ereignissen von weltrang.
sobota, 10 kwietnia 2010
trafność absurdu
haette es jemand vorhersagen wollen, man haette ihn ausgelacht. zu abwegig erschiene die vorstellung, dass mitten in europa ein flugzeug vom himmel faellt aufgrund von nebel, pilotenfehler oder vip-passagier-syndrom, zum von den zwei beteiligten laendern misstrauische beaeugten siebzigsten jahrestag einer nationalen tragoedie und eines staatlichen verbrechens, mit ehemaligen, gegenwaertigen, moeglicherweise auch zukuenftigen staatsoberhaeuptern an bord und armeefuehrern und kirchenleitenden und anderen angehoerigen dessen, was elite und intelligenz genannt wird - zu einer solchen vorhersage haette sich nicht einmal eine aussergwoehnlich wagemutige kassandra verstiegen, und haette ein ueber die massen ambitionierter abenteuerschriftsteller diesen verlauf der ereignisse als hintergrund seiner handlung gewaehlt, es haette ihm nie jemand geglaubt. nur die wirklichkeit wusste es wieder einmal besser, aller wahrscheinlichkeit zum trotz, oder wie man im nachhinein zu sagen pflegt, die geschichte, wenn man ihr denn einen willen unterstellen wollte und eine vorliebe fuer metaphern und symbolik. also muessen es feindlich gesinnte geheimdienste gewesen sein, oder aber ein hoeheres schicksal, die vorsehung oder gar gottes hand, oder aber ein willentliches opfer als zeichen fuer die ewige erinnerung. wenn dann aber passiert ist, was kein noch so noch so sehr nach billigen effekten heischender autor geschrieben haette aus ruecksicht auf die sogenannte glaubwuerdigkeit, dann ist es ploetzlich kaum noch hinnehmbar, dass es trotz allem doch nur ein dummer zufall gewesen sein sollte, den man mangels besserer worte als absurd bezeichnen muss.
środa, 7 kwietnia 2010
w drodze albo schizofrenia transitu
den ausdruck w drodze gibt es auch im polnischen, wie es ihn wohl ueberhaupt in allen lebenden und toten sprachen gibt, als bezeichnung fuer jenen eigenartigen zustand zwischen nicht mehr und noch nicht da. unterwegs ist man also am fruehen morgen um halb sechs an einem tag, der fast fruehlingshaft zu werden verspricht, wenn die baeume fast schon bluehen und die voegel singen wie verrueckt und man sich tatsaechlich die frage stellen muss, warum eine nachtigall mitten in der stadt ausgerechnet an der kreuzung gegenueber der tankstelle leben sollte. wo das leuchtende werbeschild mit der aufschrift "cosy-wasch" dem naivem fortschrittsglauben aus der mitte des letzten jahrhunderts ausdruck verleiht, die moderne koennte sich doch ein paar altmodische zuege bewahren und so etwas wie eine heimat sein. waehrend die s-bahn-zuege unauffaellig und leise schaukelnd ueber die gleise schleichen, um ihre schlafenden passagiere nicht zu wecken, denen nicht immer anzusehen ist, ob sie aufbrechen oder ankommen oder aber keines von beiden. das morgengrauen ist ueberhaupt eine eigenartige zeit, die nicht so recht angekommen scheint im hier und jetzt, die einen etwas unentschlossenen eindruck hinterlaesst, als wuesste sie nicht, was aus ihr werden sollte und als waere es ihr auch etwas egal. aber in der s-bahn kann man sich fahren lassen, unbeteiligt von derartigen fragen nach dem wie und warum und wohin, und noch den eigenen schlaftrunkenen gedanken nachhaengend. ein weiterer abschied ist schliesslich keine grosse sache, man hat es ja selbst so gewollt - nur auf den letzten treppenstufen an der friedrichstrasse versagen die beine ein wenig, gar nicht vor heimweh oder sentimentalitaet, nur aus muedigkeit und unter dem gewicht all der buecher, ohne die man in der fremde nicht ueberleben zu koennen vermeint. und man koennte sich fast einreden, man haette diese kleine reise nur unternommen, um zwischen all den zahllosen zwischengeschossen des berliner hauptbahnhofs einmal rolltreppe zu fahren, wie man es im ausland nie tut und verachtet: ohne zu laufen. um einen unverbesserlichen automatenkaffee zu trinken vor einem der namenlosen restaurants des hauptbahnhofs, der wie ein grosses graues ausgeweidetes tier am ufer der spree steht, verlassen und schweigsam und scheinbar zufrieden damit, keinen weiteren zweck zu erfuellen als eben diesen. und um der zufaelligen skulptur aus einweg-kaffeebechern auf den teakholztischen, wo eine freundliche seele sogar einen aschenbecher hinterlassen hat, einen weiteren hinzuzufuegen. aus dieser perspektive gleicht berlin einem verlassenen saurierpark, erhaben und geduldig stehen die skelette von kanzleramt und schweizer botschaft im fruehnebel, ueberragt vom eigenartigen rueckgrat des bundestages, das in seiner schemenhaften durchsichtigkeit nur um ein weniges heller leuchtet als die umgebung, die sich aus dem verhangenen dunst einer halb durchwachten nacht hebt. waehrend auf der anzeigetafel fuer busse und zuege die zahlen langsam nach oben wandern und doch immer dieselben bleiben, als wuerde, sobald der zug losgefahren ist, hinter einem die zeit stehenbleiben und sich bis zur wiederkehr nichts veraendern, als stuende die welt still wie in einem dornroeschenschlaf, laut und bewegungslos, und der fernsehturm bliebe im nebel verschwunden wie das maerchenschloss hinter der hundertjaehrigen hecke, versponnen wie das von jahrzehnten schmutzig-verdunkelte ziegelrot am ostkreuz, das so unveraenderlich veraltet erscheint, dass einem die erinnerung unbeirrbar laengst vergangene bilder anbietet, die gar nicht mehr der wirklichkeit entsprechen, worum man sich an einem morgen um diese zeit aber nicht weiter schert, wenn die gedanken zwischen polstersessel und faltvorhang langsam in jenen beruhigend weichgezeichneten halbschlaf gleiten, der von allen mehr oder weniger wachen bewusstseinszustaenden dem traum am naechsten kommt.
sobota, 3 kwietnia 2010
wesołych świąt albo spotkanie z ubóstwem osób starszych
die altersarmut kommt zumeist als aeltere dame daher. sie traegt weisse loeckchen, einen schon etwas abgeschabten hut und einen ebensolchen mantel, in hellen pastelltoenen, dazu rock und orthopaedische schuhe, denen man ihr alter ansieht oder das alter der fuesse, die sie tragen. ueberhaupt ist die altersarmut eine etwas vergraute und ausgeblichene erscheinung. sie ist bemueht, gepflegt zu erscheinen, man sieht ihr aber ebendiese bemuehungen an. vor feiertagen trifft man die altersarmut an strassenecken oder vor lebensmittelgeschaeften, mit einem eimerchen voller fruehlingsstraeusschen oder einer plastiktuete mit nicht mehr ganz frischen osterglocken - heute nur fuenf złoty der bund zu zehn stueck. und man kauft also zwei straeusse, weil schliesslich feiertage sind und man laengst einmal wieder blumen auf dem fensterbrett haben sollte, man kauft zwei straeusse und leistet stille abbitte, dass man nicht die ganze tuete kauft und die altersarmut wenigstens heute freundlich nach hause schicken kann schon um zehn nach halb eins und nicht erst um vier, wenn auch die letzten geschaefte schliessen, man leistet stille abbitte fuer die zwei straeusse statt der zwanzig, die man nach hause traegt, und die gaengige floskel von den den froehlichen feiertagen bleibt einem im halse stecken.
piątek, 2 kwietnia 2010
prima aprilis albo rozmowa przed świętami
- a dokąd pan wyjeżdża na święta?
- do gliwic. czyli do katowic.
- ah, ponury śląsk! no znam, byłam we gliwicach we styczniu. a bardzo lubię dworzec w katowicach!
- naprawdę?! no pomnik trzeba by nastawić panią na to! to najgorszy dworzec w całej polsce, taki ma tytuł!
- do gliwic. czyli do katowic.
- ah, ponury śląsk! no znam, byłam we gliwicach we styczniu. a bardzo lubię dworzec w katowicach!
- naprawdę?! no pomnik trzeba by nastawić panią na to! to najgorszy dworzec w całej polsce, taki ma tytuł!
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