die zeitungen tragen aschermittwoch, und auch sonst erkennt man sie kaum wieder. sie kennen alle nur ein einziges thema: die opfer der katastrophe, die tragoedie von smoleńsk, der heldenhafte tod im dienste fuer das vaterland, das zweite katyń. diese schlagworte ziehen sich von vorne bis hinten durch gazeta wyborcza, rzeczpospolita, nasz dziennik - und natuerlich die trauer, die unendliche trauer, die nur in grossen spontanen menschenansammlungen annaehernd ausdruck finden kann. auf einmal steht polen wie ein mann - ueber alle politischen, weltanschaulichen und konfessionellen grenzen hinweg - in der unaufhoerlich anwachsenden schlange vor dem praesidentenpalast, um sich in den ausgelegten kondolenzbuecher einzutragen und zwei drei sekunden vor dem sarg des praesidenten niederzuknien. die trauer um die tragisch gefallenen soehne der republik eint das vaterland - es ist soviel von pojednanie die rede, dass man fast vermeinen koennte, dieses land haette eine mindestens fuenfzigjaehrige teilung durch mauer und stacheldraht hinter sich oder einen ebenso lange waehrenden blutigen buergerkrieg, nicht aber einen ueber das gewoehnliche mass kaum hinausgehend absurden und sinnlosen flugzeugabsturz - und ist denn nicht das zuweilen gewisse grenzen des anstands auch ueberschreitende gegeneinander von regierung und opposition einer der grundzuege jeder demokratie? doch politik sucht man selbst auf den hinteren seiten der zeitungen vergeblich, ebenso wie wirtschaft und sport - kaum dass afghanistan oder irak eine schlagzeile erhalten oder der euro, geschweige denn ein fussballspiel, und damit alle die themen, die sonst die gemueter zu erregen in der lage sind.
ebenso vergeblich wie die politik sucht man die werbung. stattdessen findet man nekrologe: aus den schwarz geraenderten, zentriert in kapitaelchen gesetzten trauerbotschaften bestehen rund zwei drittel einer auflage, so dass man sich ueber die aufgrund der staatstrauer mit den werbeanzeigen einer haupteinnahmequelle verlustig gegangenen bilanzen der zeitungsredaktionen keine sorgen machen muss. die nekrologe sind gefuellt mit unablaessig sich wandelnden variationen der worte żal, ból, smutek, współczucie und damit ausdruck innigster anteilnahme, den man gerne und vollkommen ohne ansicht der person zu glauben bereit sein moechte, aber zumindest im falle international agierender konzernen kommen bei der lektuere doch zweifel auf, ob entsprechend formulierte anzeige im entsprechend auffaelligen format nicht einfach nur zum guten ton gehoert und die ausgaben von einer entsprechend befugten pr-abteilung abgerechnet werden. wie als wegweiser preist die gazeta wyborcza tagelang ihre "księga umarłych" in pdf-version zum herunterladen an, und gegen wochenende erscheinen gehaeuft sondereditionen und erinnerungsausgaben, hochglanzheftchen in edlem schwarz und gold, in denen der praesident und seine frau von allen ihren besten seiten abgebildet sind. ueber die toten nur gutes, und nur als die nachricht von der entscheidung das land erreicht, den tragisch verstorbenen praesidenten auf dem wawel in kraków beizusetzen und damit im nationalen heiligtum, dem panteon verdienter polen, eine nachricht also, die geeignet ist, alle erfolge der unverhofften pojednanie sofort wieder zunichte zu machen und das land womoeglich noch tiefer zu spalten als zuvor, eine entscheidung, die die ersten nicht nur staatstreuen handlungen bei staatsbuergen hervorruft in form von versammlungen mit zwei-dreihundert teilnehmern vor dem krakauer episkopat und transparenten, auf denen "gruba przesada" steht, da ist ein hauch von politik zu spueren, einen tag lang erlaubt sich die presse, gegensaetzliche und widerstreitende meinungen abzudrucken, dann wird die diskussion auf die zeit nach dem ende der staatstrauer verschoben. stattdessen wird nun schon den vierten tag in folge berichtet ueber die ehrenhaften ansichten und hehren ziele der tragisch verstorbenen, ueber die symbolische bedeutung von katyń und die entwicklung der polnisch-russischen beziehungen, ueber die moeglichen ursachen des flugzeugabsturzes und den verlauf der identifizierung der sechsundneunzig opfer, und weil diese themen schon reichlich ausgereizt sind und neue erkenntnisse zum hergang der katastrophe auf sich warten lassen, werden also akribisch die unterschiede zwischen einer ausgerufenen und einer verlaengerten staatstrauer eroertert. freilich gibt keine solchen unterschiede, und auch die situationen, in denen die eine oder andere form anwendung finden sollte, sind rechtlich nicht geregelt. auf den hauptstadtseiten kommen die verwaisten haustiere des staatsoberhauptes zu ihrem leitartikel, wobei jedoch die frage unbeantwortet bleibt, warum ein polnischer praesident einen aus dem tierheim geretteten schwarzen kater nach einem oesterreichischen k.u.k.-thronfolger benennen sollte, der erwiesenermassen seine frau betrog, sich mit leichten maedchen vergnuegte und am ende seines kaum dreissigjaehrigen lebens in geistiger verwirrung selbstmord beging, waehrend seine blaubluetige tochter sich erst scheiden liess und dann einen sozialisten heiratete?
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przegłąd nekrologów albo prasa w czasie żałoby: schaulaufen der todesanzeigen oder die presse in zeiten der trauer.
OdpowiedzUsuńgazeta wyborcza, rzeczpospolita, nasz dziennik: ueberregionale polnische tageszeitungen.
żal: trauer.
ból: schmerz.
smutek: trauer.
współczucie: mitgefuehl.
księga umarłych: totenbuch.
gruba przesada: heftige uebertreibung.
k.u.k.-thronfolger: rudolf kronprinz von oesterreich-ungarn (1858-1889).