piątek, 30 kwietnia 2010

ziemia obiecana albo łódź moja miłość

am anfang war das wort - ein wort wie eine zweite haut, wie die eigenen vier waende, wie die ganze welt in kuerzester form, ein wort wie ein planet aus dem kleinen prinzen, auf dem jeden abend eine einzige laterne entzuendet wird zu leuchten im ganzen universum, ein biblisches wort fuer das gelobte land: vier buchstaben, drei diakryte, weiblich und eine unregelmaessige deklination. ein wort so anschmiegsam und weich auf der zunge, dass es wie von selbst ueber die lippen kommt - nur den deutschen nicht, die unveraenderlich jenes eine lied im kopf haben und ausschliesslich harte konsonanten in der kehle, die kein wodka hinunterspuelen kann und denen nur mit schweigendem stirnrunzeln und stummer abbitte zu begegnen ist.
solche gedanken gehen durch den kopf, wenn der zug den bahnhof warszawa centralna verlaesst, puenktlich und nicht einmal ueberfuellt, wenn eine beruhigend tiefe sonore lautsprecherstimme die fahrgaeste begruesst und dreifarbige leuchtschrift auskunft erteilt ueber datum, uhrzeit, zielbahnhof und namenstage, an einem fruehsommertag, an dem das gruen der baeume so unglaublich hell und blendend in die augen sticht und keine einzige wolke das blau des himmels truebt, so dass vor staunen doch der atem stockt ob dieses alljaehrlichen alltaeglichen wunders. und wenn das auge sich langsam der ewig gleichen, sattsam bekannten hauptstaedtischen haeuserzeilen entwoehnt hat und wieder einen horizont zu sehen lernt aus baeumen, huegeln, strommasten, sinkt der kopf an die auf 19.4 grad gekuehlte fensterscheibe und waechst im herzen die ueberzeugung, es gaebe tatsaechlich nur eine einzige wahre liebe, die aufgrunde ihres wesens ewigwaehrend sein muesse, die liebe auf den ersten blick, die unversehens wieder nach haut und haaren greift, wenn die fuesse am bahnhof łódź fabryczna auf dem bahnsteig stehen, unglaeubig noch und doch schon heimatliche erde ahnend, und wie von selbst laufen die gedanken zu jenem unbeschwerten leben in einem land, in dem milch und honig fliessen, in jener ewigen stadt, um es mit einem beruehmten polnischen dichter zu sagen: die engel und die teufel kommen und gehen, ale łódź, łódź zawsze zostaje. darauf richtet sich das gebet in der heilig-geist-kirche, der sich seinen platz im herzen dieser stadt naturgegebenermassen verdient hat, und moegen auch zumeist, mit den worten eines anderen und diesmal deutschen dichters, die teufel immer noch munter sein, wenn die engel schon muede sind, so tragen in dieser stadt auch die teufel heiligenscheine und koennen die engel reinen gewissens schlafen, ohne dass ihnen eine vertreibung aus dem himmlischen oder irdischen paradies drohte. und haette eva auf geheiss der schlange apfel, paradies und weisheit gegen diese stadt getauscht, keine suche nach dem jenseitigen koenigreich hier auf erden waere mehr vonnoeten und keine wie auch immer geartete erbsuende waere ihr anzulasten, im gegenteil.
das gelobte land also, eine ewige stadt - freilich keine, in der die zeit stehen geblieben ist, vielmehr nur langsamer vergeht, oder einfach mehr davon vorhanden ist, in der die zeit buchstaeblich auf den buergersteigen liegt und auf den nicht mehr allerneuesten parkbaenken entlang der ulica piotrkowska, unter den jahr fuer jahr beharrlich erneuerten duerren ahornbaeumen, so dass man sie mit vollen haenden greifen und damit um sich werfen kann, und noch immer waere mehr als genug vorhanden auf baenken und buergersteigen dieser fussgaengerzone mit dem ruehrend russischen namen, auf die verlaesslich ungetruebt die sonne scheint, so dass sich erst die lunge weitet und dann auch das herz, so dass die fuesse kribbeln und tanzen wollen ueber den so unauffaelligen, aber doch ganz und gar den eigenen bewohnern gewidmeten staedtischen walk of fame und ueber die von ampeln geschmueckten bordsteinkanten der querstrassen, in denen autos und strassenbahnen eintraechtig einspurig im stau stehen, unbesorgt freilich und alles andere als eilig, und in denen sich die hotels savoy und grand mit ihrem heruntergekommenen, doch unbestreitbaren charme siebengeschossig in den blauen himmel heben und dem beilaeufigen blick geweisste brandmauern und nachtraeglich eingebaute fenster darbieten, als hielten sie sich im vorteilhaften nachmittagslicht fuer etwas besseres als ihre um einige etagen niedrigeren brueder und schwestern rechts und links, was sie freilich nicht sind, denn auch dem beilaeufigsten blick wird nicht erkennbar, was dies alles hier zu suchen hat, bahnhof łódź fabryczna, lódzki dom kultury, ulica piotrkowska, plac wolności und hotel savoy, als waere die ganze stadt einer wunderlichen anwandlung gottes entsprungen an einem gutgelaunten achten tag der schoepfung, als die notwendigkeiten erfuellt waren zur genuege und der zufall zu seinem recht kommen konnte und zu seinen ehren eine stadt, an der alles so unvergleichlich zufaellig wirkt, so bar jeder notwendigkeit und zweckmaessigkeit, als haette es nur einer unbemerkten kleinen spielerei eines hintersinnig wohlmeinenden anioł stróż bedurft, eine stadt fuer alle jene einsam schicksalsunglaeubigen, seelisch heimatlosen zu schaffen, eine stadt, die dreistoeckig dem betrachter zu fuessen liegt, den blick auf das entgegenkommendste rahmend, ohne ihn zu verstellen, ohne auch den mueden suchenden fuessen jener ewig wandernden noch zusaetzliche steine in den weg zu legen. stattdessen fuehrt einem handgeknuepften und nur schon etwas abgetretenen roten persischen teppich gleich die ulica piotrkowska das verlorene kind in die stadt, bis der plac wolności seine so regelmaessig renaissancehaften arme ausbreitet wie ein vor jahren und jahrzehnten verlassener und stets treu ergeben wartender geliebter, dem man sich sofort mit herz und seele und allen innereien ergeben moechte auf immer und ewig, ein platz wie ein hafen fuer rastlose segelschiffe, die anker und leine werfen koennen am denkmal fuer kościuszko und sich wiegen in den leichten winden, die die duenengleich geschwungene ulica piotrkowska durchwehen, als waere dies eine promenade am weiss-blau schimmernden mittelmeer der roemer und griechen mit ihrer weisheit und ihrem hoffenswerterweise sonnigen gemuet. wo das cafe wolność jeden tag freiheit anbietet ab elf uhr vormittags und den gleichnamigen cocktail und auf der terrasse noch einen hauch siebziger jahre, und gegenueber die heilig-geist-kirche den ganzen tag ueber offen steht fuer zufaellige besucher, wo die kuehle nur unterbrochen wird von verlaesslich summenden energiesparlampen und dem murmelnden schlurfen einer alten frau auf ihrer wanderung von opferdose zu opferdose, wo sich ein feuerzeug eignet, die verloschenen fuerbittkerzen aufs neue zu entzuenden, und wo durch die tueren das quietschen der strassenbahnen ebenso hereindringt wie der geruch nach gebratenen haehnchen vom imbiss an der ecke, die offen ist fuer alltaegliches und keinen besucher abweist an glas und gitter zwischen den messen, als wollte sie sagen: kommt zu mir, ihr verlorenen und beduerftigen, ihr verzweifelten und verfluchten, auf der suche nach ein wenig frieden und erloesung, kommt in diese stadt, in der sogar die einkaufscenter einen hauch von paradies tragen und namen wie tulipan, in der auch die strassenbahnen gnadenreiche fluegel haben, wenn sie, engeln gleich, ihre ehrenrunde um den plac wolności drehen auf ausgefahrenen gleisen und handverstellten weichen, strassenbahnen, mit denen man ebenso lange fahren kann wie in der ploetzlich so fernen hauptstadt, nur kommt man nicht ganz genau so weit, doch eben darin liegt auf einmal die ganze ueberirdisch-irdische weisheit dieser stadt verborgen. und selbst noch der bahnhof hat zwischen den seltenen abfahrtszeiten der zuege auf den gelben aushaengen jenes uebermass an zeit versteckt, so dass man beruhigt und gluecklich eine stunde auf den treppen in der sonne sitzen kann mit blick auf den nur hier so grundlos unvergleichlich blauen himmel und die so undurchschaubar zufaellig angeordneten haeuser, strassen, baeume im abendlicht, als haette man das letzte geheimnis endlich endlich verstanden, das wesen des seins und damit auch der relativen theorie eines herausragenden physikers, waere dieser gedanke nicht zu vermessen selbst an einem ort wie diesem, wo die fuesse wie von selbst ein paar zentimeter ueber dem boden schweben - aber: in eile trifft man keine engel, selbst nicht in diesem himmel auf erden, in dieser gelobten und gar nicht goldenen stadt ohne tore, nur mit einem heruntergekommenen bahnhof und zuvielen schoenen kirchen und einem leeren platz im zentrum, der jeden unterschiedslos willkommen heisst, in der stadt fuer engel also. aniołódź.

1 komentarz:

  1. ziemia obiecana albo łódź moja miłość: das gelobte land oder łódź, meine liebe.
    ziemia obiecana: das gelobte land (roman von władisław reymont).
    beruehmter polnischer dichter: władisław reymont.
    ale łódź, łódź zawsze zostaje: aber łódź, łódź wird immer bleiben.
    łódzki dom kultury: kulturhaus łódź
    plac wolności: freiheitsplatz.
    kościuszko: polnischer nationalheld, anfuehrer des kościuszko-aufstands gegen russland und preussen 1794.
    wolność: freiheit.
    anioł: engel.
    anioł stróż: schutzengel.
    tulipan: tulpe.

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